Hip-Hop im Tanzstudio Mehr als nur Tanzunterricht

Duisburg · Anne Fasel-Thiel hat vor fünf Jahren in der ehemaligen Tanzschule Herbers an der Kölner Straße das Tanzstudio Annattack gegründet. Sie ist überzeugt davon, dass Hip-Hop eine Kultur ist, die zu Unrecht einen schlechten Ruf hat.

 Anne Fasel-Thiel gibt gerne den Takt vor.

Anne Fasel-Thiel gibt gerne den Takt vor.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Tanzen ist die Poesie des Fußes – Das sagte schon der einflussreiche englische Dichter, Literaturkritiker und Dramatiker John Dryden im 17. Jahrhundert. Dabei hatte er wohl eher das klassische Ballett im Kopf. Erst in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat sich hingegen Hip-Hop. Noch immer löst der kraftvolle, urbane Tanzstil, der ursprünglich aus den Straßen amerikanischer Ghettos kommt, in vielen Köpfen Vorurteile in Richtung Gangster-Rapper, Drogen und Kriminalität aus. Dabei hat der Hip-Hop die Tanzwelt inzwischen im Sturm erobert und bietet durchaus auch eine soziale Komponente. Denn es ist altbekannt: Tanzen, Bewegung, Sport - diese Tätigkeiten verbinden, auch über Sprach- und Kulturgrenzen hinaus.

Das weiß auch Anne Fasel-Thiel, die vor fünf Jahren in Duisburg in der ehemaligen Tanzschule Herbers an der Kölner Straße das Tanzstudio Annattack gegründet hat. „In den sozialen Netzen wird viel diskutiert, ob Hip-Hop nur Sport ist oder mehr. Für mich ist das eine Kultur, die leider nach wie vor einen schlechten Ruf hat. Zu Unrecht. Wir arbeiten täglich daran, das Image zu verbessern. Das fängt schon bei Punkten wie Zuverlässigkeit, Verbindlichkeit, einem respektvollen Miteinander und weiteren sozialen Kompetenzen an. Und das gelingt uns auch. Wir sehen uns als bildende Einrichtung, deutlich über den Tanz hinaus“, sagt Fasel-Thiel. „Viele der Teenies kommen gerne früher und manche machen hier sogar ihre Hausaufgaben. Das ist eine offene Gemeinschaft, deutlich mehr als nur Tanzunterricht.“ Genau deshalb habe die Tanzschule bei der Bezirksregierung auch die Anerkennung als Bildungseinrichtung beantragt.

Wo bis 2014 Damen und Herren beim klassischen Tanz über das Parkett schwebten, lehrt heute ein junges professionelles Team Kindern und Erwachsenen den urbanen Tanz. Doch nicht nur das, denn Hip-Hop ist nicht nur ein Sport, bei dem alle Körperteile in Bewegung versetzt werden, sondern eine Kultur, zu der neben dem eigentlichen Tanz etwa auch der Rap (eine Art Sprechgesang) das DJing (das Einsetzen eines Plattenspielers als Musikinstrument, durch perkussives Einsetzen von Scratches, Cuts und Beat-Juggling) und das Sprayen von Graffiti gehören.

„Hip-Hop ist eine Leidenschaft, die Menschen aus verschiedenen Lebensbereichen vereint, völlig unabhängig von Aussehen, Geld oder Kultur. Es geht nur um die Sache. Und dabei sind alle gleichwertig“, so die professionelle Tänzerin, die als Kind mit Ballett angefangen hatte und inzwischen seit rund 20 Jahren auf den urbanen Tanzstil Hip-Hop spezialisiert ist.

Fasel-Thiel ist gelernte Krankenschwester und hat in Berlin an der Hochschule der Künste Schauspiel, Gesang und Tanz studiert. „Für mich ist das hier nicht bloß ein Job, sondern mein Leben“, schwärmt die engagierte 40jährige. Lange Zeit war sie Trainerin für die erste und zweite Bundesliga in den Bereichen Hip-Hop und Disco Dance. Mit anderen urbanen Tänzern gemessen wird sich grundsätzlich gerne. In sogenannten „Battles“ treten die Hip-Hoper dann gegeneinander an und stellen ihre tänzerischen Fähigkeiten unter Beweis, sowohl einzeln, in kleinen Gruppen, als auch als Formation.

„Unser neuestes Projekt ist die ,Production 2.0‘, eine Hip-Hop Showtanzgruppe mit 38 Tänzern im Alter von neun bis 18 Jahren“, sagt die Studioleiterin. Das sei eine so riesige Gruppe, wie es sie kaum an einer anderen Tanzschule gebe. „Die haben bald ihren ersten Wettkampf“, verrät sie. Die Tanzschule selbst veranstaltet jedes Jahr eine große Show, in der alle Kursteilnehmer zeigen können, was sie gelernt haben. In diesem Jahr boten 98 Tänzer im Gemeindezentrum Neudorf dem Publikum ein rund dreistündiges Programm.

Bei den Youth Olympic Games 2018 (Olympische Jugend-Sommerspiele), die im Oktober mit mehr als 3300 Athleten in Buenos Aires stattfanden, war Hip-Hop zum ersten Mal als eine von 28 Sportarten dabei. Jeweils zwölf männliche und weibliche Tänzer im Alter von 16 bis 18 Jahren gingen in der neuen Disziplin an den Start. Das IOC (Internationales Olympisches Komitee) nannte es „einen einzigartigen Sport, der Musik und Ausdruck durch Bewegung verkörpert“.

 Weitere Informationen rund um das Thema Hip-Hop und die Trainingszeiten des Tanzstudios sind im Internet unter der Adresse www.annattack.de zu finden. Die Kurse im Tanzstudio sind nach Alter und Talent strukturiert, das Alter der Tänzer reicht von drei Jahren bis ins Seniorenalter. Ganz im Sinne einer offenen Gemeinschaft werden auch Teilhabe- und Bildungsgutscheine vom Amt angenommen. Auch wer das soziale Engagement der Einrichtung finanziell unterstützen möchte, darf sich gerne bei Anne-Fasel-Thiel persönlich melden. Spendenquittungen können ausgestellt werden.

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