Beispiel für Nachhaltigkeit Seit 2008: Inklusives Theater in Marxloh

Duisburg · „Kiebitz inklusives Theater“: Seit 2008 gibt es die außergewöhnliche Theatergruppe in Marxloh. Sie gilt als Beispiel für Nachhaltigkeit.

 Die Leitung des "KiT"-Teams (v.l.): Kemal Demir (Regisseur und Theaterpädagoge), Müjgan Bayur (Geschäftsführerin "Kiebitz e.V.") und Tuana Sarica (Theaterpädagogin).

Die Leitung des "KiT"-Teams (v.l.): Kemal Demir (Regisseur und Theaterpädagoge), Müjgan Bayur (Geschäftsführerin "Kiebitz e.V.") und Tuana Sarica (Theaterpädagogin).

Foto: Olaf Reifegerste

Theater mit jungen Leuten und Senioren oder mit Deutschen und Migranten oder mit Menschen ohne und mit Behinderungen gibt es schon lange – auch in Duisburg und darüber hinaus: Das TAD („Theater Arbeit Duisburg“) steht beispielsweise für die Arbeit mit Migranten; das Seniorentheater „Spätlese“ in Mülheim für die Arbeit mit Älteren und das Inklusionstheater „Fanta 10“ in Emmerich für die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen. Doch zusammen mit allen drei genannten Gruppen in einem Ensemble arbeiten deutschlandweit nur ganz wenige Theater. Eines davon ist das 2008 gegründete „Kiebitz integratives Theater“ (KiT) in Duisburg-Marxloh. Seit diesem Jahr nennt es sich „Kiebitz inklusives Theater“. Zurzeit ruht dort die Arbeit, aber es wird ja irgendwann weitergehen. Das KiT hat es verdient.

Bereits vor 14 Jahren keimte im Internationalen Jugend- und Kulturzentrum „Kiebitz e.V.“ im Duisburger Norden der Gedanke auf, eine Theatergruppe zu gründen, wo Menschen mit und ohne Behinderung, mit und ohne Migrationshintergrund sowie aller Altersklassen gemeinsam auf der Bühne stehen und spielen sollten. Allen voran der Geschäftsführerin des Vereins, Müjgan Bayur, ist es zu verdanken, dass es „Kiebitz“ gelungen war, zusätzlich zur Peter-Klöckner-Stiftung, die „Aktion Mensch“, die „Stichting Horizon“ und die „Gründerfamilie Wilhelm Grillo“ für dieses Vorhaben zu begeistern und als finanzielle Förderer zu gewinnen. Mit der ersten Dreijahresförderung (2008 bis 2010) war zugleich der Grundstein für das „KiT“ gelegt. Inzwischen wurde das Projekt zum fünften Mal in Folge triennal gefördert – derzeit für den Zeitraum 2020 bis 2022. „Für alle Förderer ist ‚KiT‘ sowohl ein Pilot- wie auch Prestige-Projekt geworden“, sagt Bayur im Gespräch mit dieser Zeitung.

Doch zurück erstmal zu den Anfängen: Im September 2008 war es soweit, dann feierte das erste „KiT“-Stück Premiere auf der Bühne des Regionalzentrums Nord (RiZ), dem Nachbar und städtischen Kooperationspartner vom „Kiebitz“. „Einmal waschen, schneiden, heiraten, bitte!“ lautete der Titel der Eigenproduktion, die unter dem Regisseur und Theaterpädagogen Kemal Demir Premiere hatte. Doch eingebracht in die Arbeit, ob mit Texten oder Spielangeboten und dergleichen, haben sich alle Mitwirkenden – damals wie heute.

Seit Anbeginn sind bei „KiT“ immer zwischen 35 und 40 Mitwirkende dabei. „Das erfordert“, so Demir, „dass wir in Carona-freien Zeiten in zwei parallel arbeiten Gruppen proben – einer Dienstags- und einer Donnerstagsgruppe. Jede Gruppe kommt aber zweimal in der Woche für je zwei Stunden zusammen. Neben dem jeweiligen Wochentag kommt noch der Sonntag dazu.“ Auf diese Weise entstanden in der Zeit von 2008 bis zuletzt insgesamt 13 Produktionen: „Einmal waschen, schneiden, heiraten, bitte!“ und „Hotel Marxloh“ sowie „Shakespeare zwischen Laubbesen und Leberwurstbrot“ und „Shakespeare aus dem Koffer“ (2008-2010), „Herrscher des Dschungels“ und „Nord Side Story“ (2011-2014), „Märchencollage“ und „Reise in den Orient“ sowie „Szenen aus dem Alltag“ und „Hoppla, da bin ich“ (2014-2016) und schließlich „Buntes Treiben“, „Der Weltenbummler“ und „Chaos in der Akademie“ (2017-2019). An Theatergenres waren bisher das Schauspiel, Tanz und Musical sowie Märchen- und Improvisationstheater vertreten. Der 2019 endende Projektzeitraum stand unter dem Motto „Kunst trifft Theater“.

„Blickwechsel“ lautet die kommenden Phase, die bis ins Jahr 2022 reichen soll, vielleicht sogar wegen des augenblicklichen Stillstands darüber hinaus. Dazu werden sich die beiden „KiT“-Theatergruppen mit zwei Themen-Vorlagen beschäftigen: Zum einen mit der Shakespeare-Komödie „Ein Sommernachtstraum“, zum anderen mit dem Drehbuch der französischen Filmkomödie „Ziemlich beste Freunde“. „Und natürlich“, betont Demir, „werden sowohl der Elfen-König Oberon und sein Hofnarr Puck aus dem Shakespeare zu sehen sein, als auch das Duo des gelähmten Philippe und seines Pflegers Driss aus dem erfolgreichen Film von 2011. Letzteres Paar wird von Volker Ohletz und Elke Bläser, zwei Rollstuhlfahrern, gespielt.“

Elke Bläser sei mit ihren 75 Jahren übrigens die Älteste im jetzigen Ensemble, fügt Theaterpädagogin Tuana Sarica hinzu, während der Jüngste mit zehn Jahren Daniel Mackert sei. Das Verhältnis zwischen Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderung bei „KiT“ liege derzeit wieder bei 70 zu 30. Zum „KiT“-Team, dem neben „Kiebitz“-Geschäftsführerin Bayur und die beiden künstlerischen Leiter Demir und Sarica angehören, von denen einer mittlerweile selbst mit einer Behinderung lebt, zählen noch die Choreographen Fang-Yu Shen und Michael Hess, unterstützt von Betreuerin Quo-Chir Luong.

Wenn die Carona-Krise den Zeitplan nicht gänzlich über den Haufen wirft, werden die Premieren der beiden Neuproduktionen am 12. und 13. November im „RiZ“ stattfinden. Danach sollen wie in den Vorjahren auch bis zu vier Gastspiele an zwei bis drei weiteren Spielorten stattfinden.

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