Doku über Duisburger „Heroes“ Tradition ist nicht immer gut
Duisburg · Dokumentarfilmer Alexander Kleider hat die Duisburger „Heroes“ bei ihrem Kampf gegen patriarchale Strukturen begleitet. Herausgekommen ist ein hochinteressantes Porträt, das bald TV-Premiere feiert.
Es gibt diese Szene, da sitzt Berat mit seiner Mutter auf dem Balkon. Er fragt, ob sie immer noch denke, dass sie mitentscheiden solle, wen er heiratet. Sie sagt „ja“. Er fragt sie, ob er auch ohne Heirat ausziehen dürfe. Sie sagt: „Wenn du nicht heiraten solltest, du bist 40, 50 und ich lebe noch, leben wir zusammen mein Schatz. Ausziehen gibt es nicht.“ Und ergänzt: „Tradition ist immer gut. Was zum Festhalten.“
„Heroes“ heißt die Dokumentation von Alexander Kleider, die am Mittwoch, 7. Dezember, im WDR Premiere feiert. Hierfür hat Kleider die gleichnamige Aktivisten-Gruppe in Duisburg begleitet. Dabei, wie sie als Multiplikatoren patriarchale Strukturen in der Gesellschaft aufbrechen und Kinder und Jugendliche für Gleichberechtigung und gegen Sexismus sensibilisieren wollen. Was der Film allerdings auch zeigt, ist wie die „Heroes“-Aktivisten sich selbst nicht so einfach von den traditionellen Vorstellungen ihrer Eltern lösen können.
Die Hauptfigur der Dokumentation ist Berat, ein junger Mann mit türkischen Wurzeln. Er ist noch relativ neu in der Gruppe dabei. Kleider begleitet ihn auf dem Weg zu seinem ersten eigenen Workshop und kommt ihm dabei sehr nahe. Die Zuschauer sehen wie Berat mit seiner Familie beim Tee zusammensitzt, wie er mit anderen “Heroes“ übt und wie er im Gespräch mit seiner Mutter und seinen Freunden auf die Meinungen stößt, die er in seinem Ehrenamt eigentlich aufbrechen möchte. Zum Beispiel, wenn sein Kumpel sagt, dass er seine Schwester abends nicht „draußen chillen“ lassen würde. „Du weißt doch, wie wir Jungs sind.“
Die Zuschauer lernen aber auch viel über die Strukturen der „Heroes“ und wie eine Idee von Schweden über Berlin bis nach Duisburg getragen wurde. 460 Workshops hat die Gruppe in der Stadt bislang organisiert, sagt Selim vom „Heroes“-Projektteam. 12.000 Schülerinnen und Schüler hätten sie alleine in Duisburg besucht. Wie das abläuft, wird im Film gleich mehrfach gezeigt. Es gibt oft Rollenspiele, die patriarchale Situationen zeigen. Da schickt beispielsweise ein Vater seinen Sohn los, um die Schwester nach Hause zu zwingen. Es geht um Begriffe wie „Ehre“ und Beleidigungen wie „Schwuchtel“, die mit den Jugendlichen diskutiert werden. Darum, wen die eigene Sexualität eigentlich etwas angehe.
Dabei zeigt sich auch, dass die Gruppe selbst durchaus divers ist. Da gibt es Emré. Er spricht davon, dass er sich in Duisburg nicht wirklich dazugehörig fühlt. Er achtet genau auf seine Sprache, korrigiert andere, wenn sie diskriminierende Begriffe benutzen. Es gibt Shear, der aus Syrien geflohen ist und sagt, dass er das Ergebnis von Hass gesehen hat.
Und es gibt andere wie Berat oder Kischog, die in Deutschland aufgewachsen sind, aber in den traditionellen Rollenverständnissen ihrer Eltern und Freunde festhängen. Einmal ist die Kamera dabei, wie Emré und Kischog aneinandergeraten, weil Emré ihm Nationalismus vorwirft, da er bezweifelt, sich (mit seinem tamilischen Hintergrund) in eine Türkin verlieben zu können.
In knapp 80 Minuten kann nicht die gesamte wichtige Arbeit der Aktivisten aus dem Duisburger Norden gezeigt werden. Doch gelingt es Kleider in kurzer Zeit den Zuschauern erstaunlich viele Beteiligten nahezubringen. Manchmal ist auch ein wenig Pathos dabei, vor allem aber viele authentische Einblicke.
Und, so viel darf verraten werden, ein Happy-End gibt es auch. Berat besteht seine Feuerprobe mit Bravour und erhält am Ende von Projektleiterin Susanne die langersehnte „Heroes“-Jacke. Und auch bei seinen Freunden kommt etwas in Bewegung. Der Kumpel, der seine Schwester abends nicht rauslassen wollte, begleitet Berat zu einem Gruppentreffen. „Starke Themen, über die ihr da redet“, sagt er. Und hat noch Ideen dazu, wie er in den Rollenspielen reagiert hätte.
„Heroes – im Namen der Ehre“, WDR, Mittwoch, 7. Dezember, 22.15 Uhr