Kultur in der Corona-Krise Schauspiel in Duisburg funktioniert auch digital

Duisburg · Der Schauspiel-Jugendclub aus Duisburg nimmt mit zwei Ensembles und den Produktionen „Bau.Steine.Scherben“ und „Kontaktversuchungen“ am Unruhr-Festival teil.

 Die Theaterpädagogen Katharina Böhrke und Florian Götz vor dem Stadttheater am Opernplatz.

Die Theaterpädagogen Katharina Böhrke und Florian Götz vor dem Stadttheater am Opernplatz.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Es ist nicht zu leugnen: Corona hat das Kulturleben ausgebremst. Aber so ganz mochte sich der Jugendclub des Schauspiels Duisburg, „Spieltrieb“ genannt, nicht geschlagen geben. Intendant Michael Steindl, der den Spieltrieb vor 16 Jahren gegründet hat und ihn nach und nach zu einem Ensemble formte, das mit seinen Aufführungen eine wahre Bereicherung der regionalen Theaterszene darstellt, suchte zusammen mit der Theaterpädagogin und Schauspielerin Katharina Böhrke und dem Dramaturgen Florian Götz nach Auswegen aus dem Shutdown. Und das mit beachtlichen Resultaten.

Nach einigen Experimenten mit digitalen Formaten sind aktuell gleich zwei „Spieltrieb“-Ensembles beim zurzeit noch laufenden Unruhr-Festival aktiv.

Zum einen hatte am Donnerstagabend das vom ganzen Ensemble mit deren Leiterin Katharina Böhrke selbst entwickelte Stück „Bau.Steine. Scherben“ seine Premiere – wie alle anderen Aufführungen des Unruhr-Festivals online. Ursprünglich war das Stück, dessen Titel an die Rio-Reiser-Band „Ton, Steine, Scherben“ erinnert, als Live-Vorstellung und als Akzente-Beitrag im Duisburger Stadttheater gedacht. Corona machte einen Strich durch Akzente 2021, aber Katharina Böhrke hielt ihr Ensemble bei der Stange und gemeinsam entwickelte man eine Video-Fassung, die man noch bis zum 20. Mai kostenlos im Internet anschauen kann. Den entsprechenden Link bekommt man über eine Mail an die Theaterreferentin Britta Fehlberg unter b.fehlberg@stadt-duisburg.de

In dem Stück begegnen sich acht Figuren, die stets zusammen auf dem Bildschirm in jeweils separierten Feldern erscheinen und in einem unbestimmten virtuellem Raum agieren: Ein „Wurstkapitalist“ namens Bauer (bei dem man natürlich an Tönnies denkt) prallt auf einen aggressiv-politischen Hausbesetzer, ein überambitionierter Fotograf trifft auf eine unsichere Sängerin, eine um Harmonie Bemühte trifft auf solche, die keinem Streit aus dem Weg gehen. Am Schluss wird die gegenwärtige Corona-Krise zum Thema gemacht, das Stück selber und seine Form enden auf einer Meta-Ebene.

Fast sieben Monate hat das Ensemble an der Entwicklung des Stücks gearbeitet, wobei die Treffen (zweimal pro Woche) nur digital stattfinden konnten. „Wir haben uns daran gewöhnen müssen, uns nur über einen Bildschirm sehen zu können“, sagt Katharina Böhrke und stellt mit Recht fest: „Es ist ein wildes Figuren-Potpourri im digitalen Raum geworden, mit dem wir alle sehr zufrieden sind.“

Dass „Bau.Steine.Scherben“ nun beim traditionellen Unruhr-Festival Premiere feiern konnte, zeigt, dass gemeinsames Theatermachen auch während der Corona-Zeit gelingen kann. Trotzdem hofft Katharina Böhrke, dass das Stück, in dem auch autobiografische Elemente der Ensemblemitglieder verarbeitet wurden, in veränderter Form vielleicht noch im Juni seine Live-Premiere im Theater Duisburg oder Open-air erlebt.

„Kontaktversuchungen“ ist der Titel des Theaterprojekts, mit dem sich ein zweites „Spieltrieb“-Ensemble am Unruhr-Festival beteiligt. Allerdings konnten vorerst nur Teilnehmer des Festivals das Projekt kennenlernen. Die öffentliche Premiere findet am 3. Juni (Fronleichnam), um 19.30 Uhr, auf der Videoplattform Zoom statt. Weitere Vorstellungen sind am 6., 13. und 19. Juni, ebenfalls um 19.30 Uhr. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Wer sich einen (kostenlosen) Platz in einer der Vorstellungen reservieren möchte, schreibt – wie für „Bau.Steine.Scherben” –  eine Mail an Theaterreferentin Britta Fehlberg unter b.fehlberg@stadt-duisburg.de.

„Kontaktversuchungen“ ist ein Schauspiel-Experiment, das von vornherein von Dramaturg Florian Götz zusammen mit der Theaterpädagogin Jule Pichler und dem Theaterpädagogen Robin Lascheit digital geplant wurde. Im Mittelpunkt stehen dabei die sozialen Herausforderungen der Corona-Krise. Neun junge Leute, darunter einige mit Spieltrieb-Erfahrung, andere sind absolute Theaterneulinge, begeben sich dabei auf „Begegnungsmissionen“, die sie auf Videos präsentieren. Die einen versuchen, ihre Stadt (also Duisburg) neu zu entdecken, andere suchen Antworten auf grundsätzliche Fragen nach Tod und Leben oder begeben sich (auch mit Hilfe von Musik und Songs) auf die Suche nach dem Selbst, wieder andere erkundigen sich nach Tipps zur Liebe (es gibt 36). Dramaturgisch zusammengehalten wird das Ganze wie bei einem Erzählabend am Lagerfeuer, sagt Florian Götz.

„Kontaktversuchungen“ wird gestreamt als Mischung aus Live-Elementen mit vorproduzierten Videos. Geprobt wird mit Hilfe des Videokonferenzdienstes Zoom, das sich bewährt hat. Das Besondere an „Kontaktversuchungen“ ist die Struktur, die ganz verschiedene Inhalte zulässt. Für Jule Pichler und Robin Lascheit bedeutet diese digitale Arbeit einen womöglich nachhaltigen Einschnitt: Die beiden standen bislang selber als „Spieltrieb“-Schauspieler auf der Bühne; sie waren beispielsweise bei der hoch gelobten „Romeo-und-Julia“-Inszenierung dabei. Jetzt als junge Studierende der Theaterpädagogik haben sie den Regiepart.

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