Behinderten-Werkstatt in Duisburg 370.000 Euro Gehalt für Geschäftsführerin – Was wusste der OB?

Duisburg · Die Chefin der Duisburger Werkstätten für Menschen mit Behinderungen wurde am Mittwochabend fristlos entlassen. Sie soll über Jahre hinweg zu hohe Bezüge kassiert haben. Zuvor hatte sie Duisburgs Oberbürgermeister in Erklärungsnot gebracht.

 Ex-Geschäftsführerin Roselyn Rogg (l.) und OB Sören Link (r.) bei einer Veranstaltung im vergangenen November.

Ex-Geschäftsführerin Roselyn Rogg (l.) und OB Sören Link (r.) bei einer Veranstaltung im vergangenen November.

Foto: Christoph Reichwein

Bei den Duisburger Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (Wfbm) bahnt sich ein veritabler Verwaltungsskandal an. Der Aufsichtsrat des gemeinnützigen Unternehmens, das zu 50 Prozent der Stadt Duisburg gehört, hat seine Geschäftsführerin Roselyne Rogg am Mittwochabend fristlos entlassen. Zuvor hatte die Geschäftsführerin Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am Dienstag in Erklärungsnot gebracht.

Rogg und dem ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Reinhold Spaniel wird vorgeworfen, über Jahre hinweg am Kontrollgremium des Unternehmens vorbei Gehaltserhöhungen durchgesetzt zu haben. Nach eigener Aussage hat Rogg seit der letzten Erhöhung zum 1. Januar 2016 Bezüge in Höhe von 370.000 Euro kassiert. Das Problem: Durch die Anhebung der Vergütung könnten die Gemeinnützigkeit des Unternehmens, die damit verbundenen Steuervorteile und letztlich ein Teil der rund 1200 Arbeitsplätze gefährdet sein. Ein von der Stadt Duisburg in Auftrag gegebenes Gutachten zu dem Fall kam zuletzt zu dem Schluss, dass die Höhe des Gehalts der Werkstattchefin im Branchenvergleich nicht angemessen ist. Die Angemessenheit der Bezüge der Geschäftsleitung ist jedoch eine der Grundvoraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit.

Rogg hatte sich in der am Dienstag kurzfristig anberaumten Pressekonferenz gegen die Vorwürfe gewehrt und ein zweites Gutachten einer Düsseldorfer Wirtschaftskanzlei vorgestellt, das zu einem anderen Schluss kommt. Demnach könnten ihre Bezüge rein juristisch betrachtet durchaus „angemessen“ gewesen sein. Sie rechtfertige ihr „zugegebenermaßen hohes Gehalt“ mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens.

 Der Wfbm-Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Krützberg (v.l.) trat mit seinen Stellvertretern Dagmar Frochte und Manfred Lücke am Mittwochabend vor die Presse.

Der Wfbm-Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Krützberg (v.l.) trat mit seinen Stellvertretern Dagmar Frochte und Manfred Lücke am Mittwochabend vor die Presse.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Zur Einordnung: Geschäftsführer vergleichbarer Unternehmen im Ruhrgebiet verdienen dem städtischen Gutachten zufolge im Schnitt zwischen 150.000 und 180.000 Euro pro Jahr. Rogg verwies in ihrer Stellungnahme allerdings auf die Gehälter der Geschäftsführer der anderen Unternehmen mit kommunalen Beteiligungen in Duisburg. Demnach verdienen beispielsweise die Geschäftsführer der Duisburger Wirtschaftsbetriebe (831.000 Euro) und die des Hafens (rund 1,6 Millionen Euro) deutlich mehr. Sie betrachtet ihr Gehalt deshalb „durchaus als angemessen“. Sollte der Aufsichtsrat über die geplanten Gehaltserhöhungen nicht informiert worden seien, sagte Rogg, sei das nicht ihr, sondern dem Aufsichtsratsvorsitzenden anzulasten. Zudem sei Oberbürgermeister Sören Link über die Gehaltsverhandlungen informiert gewesen.

Diese Aussage birgt gewissen politischen Sprengstoff, sollte sich am Ende das städtische Gutachten als zutreffend erweisen. Aus diesem Grund bezog der Duisburger Oberbürgermeister auch umgehend Stellung. „Der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Spaniel war zu keinem Zeitpunkt Vertreter des Oberbürgermeisters im Aufsichtsrat der Wfbm, was Frau Rogg bekannt ist“, teilte Links Sprecherin Anja Kopka mit.

 Die Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfmB) in Duisburg

Die Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfmB) in Duisburg

Foto: Christoph Reichwein (crei)

„Ein Oberbürgermeister ist zwar regelmäßig sogenanntes ,geborenes‘ Mitglied in Aufsichtsräten stadteigener Unternehmen. Auf dieses Recht kann er aber für den Fall verzichten, dass ein anderes Mitglied des Verwaltungsvorstands die Funktion als Aufsichtsrat übernimmt“, sagte Kopka. Die Aussage von Frau Rogg, dass der Oberbürgermeister im Aufsichtsrat vom Aufsichtsratsvorsitzenden vertreten werde, sei zumindest missverständlich und, soweit sie damit suggeriere, der Oberbürgermeister sei Mitglied des Aufsichtsrats gewesen, schlicht falsch. Zu keinem Zeitpunkt sei ein Gehalt in der heute zur Rede stehenden Dimension mit Oberbürgermeister Sören Link abgesprochen gewesen - und es habe und hätte auch niemals seine Zustimmung gefunden.

Link sei zwar im Jahr 2013 vom damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden auf die Gehaltsverhandlungen angesprochen worden, dabei sei aber zu keinem Zeitpunkt von einem Gehalt in dieser Größenordnung die Rede gewesen.

Der Aufsichtsrat rechtfertigte die fristlose Kündigung am Mittwochabend mit dem zerrütteten Vertrauensverhältnis zu seiner Geschäftsführerin und kündigte eine schonungslose Aufklärung an. Eine Wirtschaftskanzlei soll die Absprachen zwischen Rogg und dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden auf Straftatbestände und die Möglichkeit hin überprüfen, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Rogg selbst wollte sich am Mittwochabend nicht mehr zum Sachverhalt äußern.

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