Kirchenaustritte in Duisburg “Darauf haben wir bislang keine Antwort“
Duisburg · Die Bistümer Essen und Münster verzeichnen bei den Kirchenaustritten Rekordzahlen. Tausende haben den Gemeinden im vergangenen Jahr den Rücken gekehrt – und so mancher Bischof kann es sogar verstehen.
Die katholische Kirche verliert weiterhin Mitglieder. Allein im Stadtdekanat Duisburg des Bistums Essen, zu dem der größte Teil des rechtsrheinischen Stadtgebiets gehört, sind im vergangenen Jahr 866 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten. Insgesamt ist die Zahl der Katholiken im Stadtdekanat sogar um 2611 Mitglieder (minus drei Prozent) auf 83.371 gesunken.
Damit liegt der Mitgliederverlust leicht über dem Schnitt des gesamten Bistums Essen. Dort gab es zum Jahresende noch 703.162 Katholiken, rund 2,9 Prozent weniger als 2020. Im Vergleich zu 2010 wird das Schrumpfen der katholischen Kirche in Duisburg (minus 20,2 Prozent) und dem gesamten Bistum (minus 16,9 Prozent) noch deutlicher. Das zeigt die Jahresstatistik für 2021, die das Bistum Essen am Montag zeitgleich mit den Statistiken aller katholischen Bistümer in Deutschland veröffentlicht hat.
In diesem Jahr markieren die 9133 Kirchenaustritte sogar einen historischen Negativrekord, wie das Bistum Essen mitteilte: Noch nie seit der Gründung des Bistums Essen 1958 haben binnen eines Jahres so viele Menschen von sich aus die katholische Kirche verlassen. Erstmals sind 2021 in einem Jahr mehr als ein Prozent der Kirchenmitglieder ausgetreten.
Ähnlich sieht die Lage in den linksrheinischen Bezirken und in Walsum aus, die zum Bistum Münster gehören. Auch hier hat die katholische Kirche viele Mitglieder verloren. In der Statistik fasst das Bistum Duisburg und den Kreis Wesel zusammen. Demnach lebten dort im vergangenen Jahr insgesamt rund 195.000 Katholiken – 2020 waren es noch 4000 mehr.
2325 Menschen haben 2021 im Bistum ihren Austritt aus der Kirche erklärt, 948 mehr als im Jahr zuvor. Die Zahl der Taufen ist um 284 auf 1120 gestiegen, die der Erstkommunionen um 223 auf 1174 im vergangenen Jahr. Das Sakrament der Firmung wurde 763 Mal gespendet, 327 Mal mehr als 2020. 148 Paare gaben sich in einer katholischen Kirche das „Ja-Wort“, eine Steigerung von 53. Leicht gesunken ist die Zahl der Bestattungen, um 28 auf 2074.
Für den Essener Generalvikar Klaus Pfeffer sind die Zahlen ein klares Zeichen „eines schier unaufhaltsam steigenden Vertrauensverlustes der katholischen Kirche“, den vor allem die schrecklichen Missbrauchstaten von Priestern und anderen kirchlichen Mitarbeitenden ausgelöst hätten. Es sei „fatal“, dass die Aufarbeitung der Verbrechen bundesweit uneinheitlich erfolge und sich über einen sehr langen Zeitraum hinziehe. „Selbst unter vielen treuen Gläubigen herrscht inzwischen der Eindruck vor, dass die Kirche es nicht wirklich ernst meint mit der Aufarbeitung.“
Der Generalvikar erkennt laut Bistum in der Jahresstatistik allerdings auch, „wie sehr die Pandemie die schon vorher zum Teil versteckten Veränderungs- und Abbruchprozesse in unserer Kirche wie ein Brandbeschleuniger massiv verstärkt hat.“
Zwar hätten die Zahlen etwa bei Taufen und Trauungen im Vergleich zum ersten Coronajahr wohl auch durch Nachholeffekte deutlich zugelegt. Dennoch habe es 2021 in den Kirchen des Ruhrbistums nur etwa halb so viele katholische Eheschließungen gegeben wie vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Es sei sehr deutlich, dass sich die religiöse Praxis der Menschen immer schneller verändere. „Darauf haben wir in unserer Kirche bislang noch keine abschließenden Antworten gefunden“, gesteht Pfeffer ein. Das zeige sich auch darin, dass die Gottesdienste von immer weniger Menschen besucht würden.
Der Bischof von Münster, Felix Genn, ist derweil froh, dass der Einfluss der Pandemie derzeit weniger wird: „Es ist schön, dass nach der Pandemie die Feier der Sakramente wieder lebendiger geworden ist. Gleichwohl wirkt die Pandemie gerade bei den Gottesdienstbesuchern noch nach.“ Allerdings hätten vor allem gravierende Fehler kirchlicher Verantwortungsträger im Umgang mit sexuellem Missbrauch zu den hohen Kirchenaustrittszahlen beigetragen. Genn bedauert das: „Ich habe aber auch Verständnis dafür, dass viele Menschen mit der Institution Kirche nichts mehr zu tun haben wollen.“
Die Katholische Kirche in Deutschland hat am Montag die bislang größte Austrittswelle bekannt gegeben. Insgesamt 360.000 Austritte gab es demnach 2021. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sagte. „Es ist nichts schönzureden.“