Kultur in Duisburg So war die Premiere bei „Der Juni der Figuren“

Duisburg · Zum Start des Figurentheater-Festivals zeigte der Jugendtheaterclub „Spieltrieb“ eine witzig-düstere Eigenproduktion. Es folgte das Rheinische Landestheater Neuss mit der Adaption des Chaplin-Films „Lichter der Großstadt“. Wir waren dabei.

 Das Institut der Dinge.

Das Institut der Dinge.

Foto: sascha kreklau/Sascha Kreklau

Vor 15 Jahren gastierte zum ersten Mal das Maskentheater-Ensemble „Familie Flöz“ im Duisburger Stadttheater. Die Flöz-Truppe wurde sofort Publikumsliebling. Aus den Gastspielen entwickelte sich eine feste Kooperation mit dem Theater. Auch die Bremer Bühne Cipolla, die literarische Stoffe als Figurentheater zeigt, wurde in Duisburg schnell heimisch. Zum Ende dieser Schauspiel-Saison geht das Theater Duisburg gewissermaßen in die Vollen: Der gesamte Monat Juni wird vom Figurentheater geprägt.

Unter dem Motto „Der Juni der Figuren“ werden unterschiedliche Formen des Spiels mit Masken, Objekten, Puppen oder gar Schatten präsentiert. Zum Start dieses kleinen, aber feinen Festivals gab es zum einen eine Eigenproduktion des Jugendspielclubs Spieltrieb, zum anderen ein Gastspiel des Rheinischen Landestheaters Neuss mit einer Adaption des berühmten Chaplin-Films „Lichter der Großstadt“. Beide Abende kamen beim Publikum sehr gut an, wie der kaum enden wollenden Applaus bewies.

„Das Institut der Dinge“ führte der Spieltrieb im Obergeschoss des Theaters, im Foyer III, auf, das vorzugsweise als Experimentalbühne genutzt wird. Die Berliner Figurentheatermacherin Sophie Bartels entwickelte zusammen mit den jugendlichen Darstellerinnen eine „Science-Fiction-Objekttheater-Dystopie“, die das Publikum fesselte. Der düstere Blick in die Zukunft weist 30 Jahre nach vorne. Die Menschheit droht an den vielen „Dingen“ zu ersticken. Ein großer Schredder soll den Kollaps verhindern. Zum Gedenken an „100 Jahre Technopolymere“ bekommen acht Forscherinnen den Auftrag, die wenigen Dinge auszuwählen, die nicht geschreddert werden sollen.

Da werden für Porzellanfiguren, Masken, einzelen Musikinstrumente, Taschenlampen und andere Objekte Plädoyers gehalten, und es wird nach Mehrheitsrecht abgestimmt. „Chefin“ und „Protokollantin“ achten darauf, dass die Regeln eingehalten werden, aber immer wieder kommt es zu Konflikten, weil „Ritualbeauftragte“, „Hygienebeauftragte“, „Sortiererin“ und zwei „Institutsbegleiterinnen“ das ein oder andere Objekt nicht, wie mehrheitlich abgestimmt, dem Schredder überlassen wollen. Der menschliche Faktor beim „objektiven“ Prozedere führt zur Eskalation.

 „Lichter der Großstadt“ ist eine Adaption des berühmten Films von Charlie Chaplin.

„Lichter der Großstadt“ ist eine Adaption des berühmten Films von Charlie Chaplin.

Foto: Marco Piecuch

Die acht Darstellerinnen machen ihre Sache glänzend. Es sind: Leoni Gaitanis, Vriska Sweekhorst, Smilla Aleweiler, Jessica Mettin, Belana Zumbrägel, Lisanne Steinwartz, Lea Sehlke und Anna-Maileen Unger. Für Bühne und Kostüme ist Sebastian Elrich zuständig, die Dramaturgie übernahm Florian Götz, der auch das Konzept des gesamten „Juni der Figuren“ entwickelt hat. Schauspiel-Intendant Michael Steindle übernahm übrigens die Lichtregie.

Dem großen Lob, das von allen Seiten dem Rheinischen Landestheater nach der Premiere seiner Chaplin-Adaption „Lichter der Großstadt“ zuteil wurde, kann man sich nach dem Duisburger Gastspiel im Großen Haus nur anschließen. Johannes Bauer als gutmütiger Tramp, der voller Liebe, aber selbstlos einem blinden Blumenmädchen Geld für eine Augenoperation beschafft, ist großartig. Großartig sind auch Christoph König und Hajo Wiesemann, die mit Klavier und Geige das Geschehen nicht nur begleiten, sondern musikalisch interpretieren und gelegentlich sogar als Anspielpartner fungieren. Anna Lisa Grebe spielt das lebenshungrige Blumenmädchen, Antonia Schirmeister den manischen Millionär, der im betrunken Zustand zum großzügigen Freund des Tramps wird, nüchtern indes zum „Winterkönig“ mutiert.

Caroline Stolz und Antonia Schirmeister zitieren in ihrer Inszenierung zwar den Chaplin-Film einschließlich einiger der unsterblichen Slapstick-Nummern, doch transformieren sie die Handlung auf eine Märchenebene. Da wird aus dem kalten Kapitalismus ein Schneefeld, und die Schergen des nüchternen Millionärs tragen überlebensgroße Kopfmasken, deren Ausstrahlung einen frösteln lässt. Doch am Schluss gewinnt die romantische Liebe – wie in Chaplins Meisterwerk.

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