Performance in der Liebfrauenkirche Kunstprojekt im Digitalzeitalter
Duisburg · Die Performance-Installation „Engelsrepublik“ von Max Bilitza hatte Premiere in der Kulturkirche Liebfrauen.
Die Performance-Installation „Engelsrepublik“ feierte mit der gleichnamigen Tanzperformance und Live-Musik mit Tomás Vtipil in der Duisburger Kulturkirche Liebfrauen ihre Premiere. Bis Freitag kann dort noch das von Joao Martinho Moura und anderen entworfene begehbare Bühnenbild, sprich die Performative-Installation, besichtigt werden. Nach der Premiere diskutierte ein Symposium unter der Leitung von Prof. Ido Iurgel von der Hochschule Rhein-Waal über das Thema „Kunst und künstliche Intelligenz heute“. Konzept, Regie und Choreografie der Performance-Installation einschließlich der Gesamtleitung über die einwöchige Veranstaltungsreihe tragen die Handschrift des künstlerischen Multitalents Max Bilitza.
„Engelsrepublik“ nennt er sein künstlerisches Forschungsprojekt, das den interdisziplinär arbeitenden Duisburger Künstler schon seit Jahren beschäftigt. Der Ursprung seines Handelns liegt vermutlich im litauischen Künstlerviertel Uzupis (Vilnius) begründet, von wo aus er verschiedene künstlerische Austausch-Projekte auf den Weg brachte. Ende der 1990er Jahre wurde dort die „Freie Republik Uzupis“ ausgerufen mit eigener Verfassung („Das Recht auf Glück“) und einer Skulptur (Trompete spielender Engel), die die Erneuerung als auch die künstlerische Freiheit dieses Stadtteils symbolisieren soll. Seither wird Uzupis auch „Engelsrepublik“ genannt.
Bei den 36. Duisburger Akzenten 2015, die unter dem Thema „Heimat“ standen, tauchte das Projekt hierzulande erstmals auf. Schon in der damaligen Inszenierung wurde die „Engelsrepublik“ als fiktiver Staat mit Blütezeit, Gewaltherrschaft und Untergang angelegt. Zwei Jahre später bei den 38. Duisburger Akzenten 2017, die das Thema „Umbrüche“ hatten, wurde das Projekt dann an die Schwelle zu einer neuen Zeit verlegt, in der es zügellos wie im Rausch zugeht und später auf gleiche Weise endet. Die jetzige Produktion sei ein weiteres Gesamtkunstwerk über den Aufstieg, die Dekadenz und den Untergang eines fiktiven Staates, erläutert Bilitza sein ehrgeiziges und anspruchsvolles Projekt.
Entstanden ist eine komplexe multimediale, szenische Installation teils sehr kopflastig, teils auch sehr assoziativ. Bilitzas Inszenierung tritt inhaltlich wie technisch vor allem den Beweis an: Das Theater ist im globalen Digitalzeitalter angekommen: QR-Codes, ein Metalldetektor, LED-Licht, Videos, eine Drohne, ein Mischpult mit diversen Reglern für licht- und tontechnische Effekte einschließlich Loop-Station und vieles andere mehr bestimmen das optisch-akustische Bühnengeschehen. Doch auch Sprache, zuweilen Schreie und Gelächter, Mimik und Gestik sowie Haltung und Bewegung von darstellend vorführend bis interaktiv mit dem Publikum kommen durch drei hervorragend aufgelegte Tänzerinnen (Clara-Sophie Mügge, Phaedra Pisimisi, Camila Scholtbach) voll zur Geltung. Sie verkörpern unnachahmlich in Maske, Ausdruck und Verhalten typengenaue Exaltiertheit und Dekadenz einer hochtechnologischen Gesellschaft. „Wir glauben an den Fortschritt“, heißt es. Und: „Wir glauben, dass Maschinen wie Tiere Rechte bekommen sollen.“
Intelligent und zugleich markant an der Inszenierung ist die Verwendung von diversen Wellplatten aus glasfaserverstärktem Polyester als Bühnenbild. Einige davon dienen als Dreieck-Paravent (zum Beispiel für „das Auge Gottes“) an der Außenseite der Tanzteppichbühne, andere dagegen als vielfältig verwendbares Requisit für die Tänzerinnen. Mal benutzen diese sie als Schutzschild, mal als Flügel. Mal werden sie von ihnen zu Säulen geformt, mal als Fernrohr oder Megaphon benutzt.
Wie ein Berserker gegen die Dekadenz der Bourgeoisie kämpfend agiert der musikalisch wie performativ sensationell aufspielende Violinist Tomás Vtipil, mit dem Bilitza schon seit Jahren zusammenarbeitet. Gleiches gilt für Teresa Grünhage (Lichtskulptur), Dirk Gelbrich (Lichtdesign) und Christian Spiess (Drohnen & Kommunikationstechnik). Die jetzige Kooperation mit der Media Computing Gruppe des Studienganges Digital Media der Hochschule Rhein-Waal (Leitung: Prof. Dr. Iurgel) ist übrigens die bereits vierte dieser Art und basiert auf der gemeinsamen Weiterentwicklung des Dialogs von Kunst und Wissenschaft.