Kevin Kühnert in Duisburg „Was hat deine Partei denn da wieder gemacht?“
Duisburg · Beim Unterbezirksparteitag der SPD Duisburg am Freitagabend im Huckinger Steinhof war Generalsekretär Kevin Kühnert Gastredner. Als bekennender SPD-Linker stellte er auch die Industriepolitik in den Fokus seiner Rede. Warum er sich Friedrich Merz als CDU-Kanzlerkandidaten wünscht.
Das Motto „Deutschland packt das!“, unter dem Kühnerts Rede stand, erinnerte entfernt schon ein wenig an das „Wir schaffen das!“, die viel zitierte Aussage von Ex-Kanzlerin Angela Merkel. Das war aber auch schon die einzige Gemeinsamkeit, zumal der Kontext „Soziale Politik für unser Land“ ein anderer war.
Der zum linken Flügel der Partei zählende 33-Jährige gilt nicht zuletzt durch seine stetige TV-Präsenz und rhetorische Eloquenz als einer der Hoffnungsträger seiner Partei. Entsprechend hoch war die Erwartungshaltung der Genossen im Steinhof. Auf wenig Gegenliebe stieß allerdings zunächst sein Hinweis, er sei an Wochenenden gern in NRW – schließlicht sei er Dauerkarteninhaber bei Arminia Bielefeld.
Im Freundeskreis fühle sich der Bundestagsabgeordnete gelegentlich als „Infostand auf zwei Beinen“, gestand er. Allerdings führe das auch dazu, dass er gelegentlich gefragt werde: „Was hat deine Partei denn da wieder gemacht?“
Anschließend verteidigte er die Haltung seiner Partei zum Ukrainekrieg. Vorwürfe an Bundeskanzler Olaf Scholz, er würde bei der Unterstützung des überfallenen Landes zögern und zaudern, bezeichnete er als „Quatschargument“. Schnell kam er dann auf sein Kernthema, die Sozialpolitik, zu sprechen. Die Übergewinnsteuer für Unternehmen, die am Krieg mitverdienen, stand da ganz vorn.
In der Folgezeit erwies sich Kühnert als echter Schnellsprecher und galoppierte in einem Parforceritt durch fast alle aktuellen Politikfelder, ohne scheinbar einmal Luft zu holen. Er hätte ruhig zwischendurch mal eine Pause machen können, meinte eine Delegierte hinterher. Dann hätte es auch Zwischenapplaus gegeben.
Die Preisbremsen für Gas, Strom und Fernwärme seien auch Produkt sozialdemokratischer Politik. „Gut, dass dieser Mann keine politische Verantwortung trägt“, so Kühnerts Kommentar über den CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz. Er sei Fan der Idee, Merz zum CDU-Kanzlerkandidaten zu machen – das würde die Chancen für die SPD erhöhen. Die Bezeichnung ukrainischer Flüchtlinge als „Sozialtouristen“, die Merz übernommen habe, sei nichts als Propaganda: „Das ist ungehörig, das ist schlechter Charakter.“ Da war ihm der Applaus im Steinhof natürlich sicher.
Deutschland müsse Industriestandort bleiben, so Kühnert. Deshalb sei auch für die Stahlindustrie in Duisburg ein angemessenes Investitionsumfeld erforderlich. Dazu gehöre aber auch, entsprechende Industriepreise bei der Energie für die Unternehmen zu gewährleisten.
Mindestlohn, Bürgergeld und Kindergrundsicherung seien wichtige SPD-Anliegen. „Die Einführung des Mindestlohns hat alleine in Duisburg im vergangenen Herbst für 33.000 Menschen eine Lohnerhöhung bedeutet“, erklärte Kühnert.
Bei der Aussprache monierte Nikolas Neuhöfer von den Duisburger Jusos, dass die Auszahlung der Energiepauschale für Studenten zu kompliziert sei und zu lange dauere. „Hier hätte man mehr Druck aufbauen müssen. Wir können doch nicht überall über das neue Deutschland-Tempo sprechen und kriegen das nicht auf die Kette. Das sorgt nicht für mehr Vertrauen bei jungen Menschen.“ Kühnert gestand das ein und plädierte gleichzeitig für eine umfassende Bafög-Reform, die eine Herzensangelegenheit der SPD sei.
Zuvor hatte Duisburgs SPD-Parteichef Mahmut Özdemir bei seiner Begrüßung die Delegierten um eine Schweigeminute für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien und des Ukrainekrieges gebeten. Die SPD sei die Partei in der Ampel, die besonnen handele und regiere – im Bund und in Duisburg. „Das wünschte ich mir auch von der Landesregierung“, so Özdemir. Bei der nächsten Landtagswahl in NRW müsse die SPD wieder die Regierung stellen: „Wir wollen den Schlüssel zur Staatskanzlei zurück.“
In Duisburg stünden die Sozialdemokraten an der Seite der Beschäftigten der Stahlindustrie, vom Kaufhof und Venator, die alle um ihre Jobs bangen. Auf die SPD könnten sich die Menschen in Duisburg verlassen, so Özdemir.