Kanzelpredigt Über die Angst vor den und dem Fremden

Die Kanzelrede von Lamya Kaddor in der Salvatorkirche endet mit einem bemerkenswerten arabischen Sprichwort.

 Lamya Kaddor in der Salvatorkirche.

Lamya Kaddor in der Salvatorkirche.

Foto: Ev. Kirche Duisburg

Auf Einladung des Evangelischen Kirchenkreises Duisburg sprach am Sonntag in der Salvatorkirche die renommierte Islamwissenschaftlerin, muslimische Religionspädagogin und Publizistin Lamya Kaddor über das Thema „Die Zerreißprobe. Wie die Angst vor dem Fremden unsere Demokratie bedroht“. Ihr Referat fand im Rahmen der seit 2010 veranstalteten Vortragsreihe „Kanzelreden in der Salvatorkirche“ statt. Es war die zweite und zugleich letzte „Kanzelrede“ in diesem Jahr.

Dass sie, Kaddor, als gläubige Muslimin von der Kanzel einer christlichen Kirche sprechen dürfe, empfinde sie als Ehre: „Ich bin voller Ehrfurcht hier zu stehen und zu ihnen zu sprechen“, sagte sie. „Lassen sie uns miteinander reden“, schlägt sie als Gegenentwurf all jenen vor, die „Polarisierung an die Stelle von Kompromiss“ setzen. Ähnlich formulierte es auch der das Publikum und die Kanzelrednerin begrüßende Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Duisburg, Pfarrer Armin Schneider, der eine kultur- und religionsübergreifende Debatte hinsichtlich der Frage „Was ist unsere Identität?“ einfordert.

Kaddor ist 1978 als Tochter syrischer Einwanderer im westfälischen Ahlen geboren. „Ich bin Deutsche“, betont sie, „und eine Verfassungspatriotin“, setzt sie nach. Ihre Migration sei allenfalls der Umzug von Westfalen ins Ruhrgebiet gewesen, ließ sie augenzwinkernd ihre Zuhörerschaft wissen. Kaddor lebt nämlich seit Jahren mit ihrer Familie in Duisburg. Lange Zeit arbeitete sie als Lehrerin an einer Schule in Dinslaken. 2016 ließ sie sich wegen Hassmails und Morddrohungen vom Schuldienst beurlauben.

2016 ist nämlich das Jahr, in dem ihr Buch mit dem gleichnamigen Kanzelreden-Beitrag erschien. In ihm geht es um die Integration von Flüchtlingen in Deutschland. Kaddor gibt darin zu bedenken, dass nicht nur Einwanderer eine gewisse Bringschuld hätten, sondern auch die Mehrheitsgesellschaft: Diese müsse Einwanderer und deren Nachkommen auf Augenhöhe respektieren. „Alle müssen sich bewegen“, fordert sie. „Integration ist keine Einbahnstraße! Die deutsche Bevölkerung muss die Anstrengungen der Neuankömmlinge zumindest anerkennen und ihnen eine echte Chance auf Integration geben“, klagt sie ein. Es gehe ihr weniger um ein wie auch immer geartetes Deutschsein. „Wir müssen gemeinsam ein neues deutsches Wir entwickeln, müssen aufhören, über ‚die Fremden‘ und ‚das Fremde‘ zu sprechen, sondern anfangen, uns über unsere Identität klarzuwerden.“

Begleitend dazu las Lamya Kaddor auch Auszüge aus dem Kapitel „Was ist Deutsch?“ ihres besagten Buches und schloss ihren Vortrag mit einem bemerkenswerten arabischen Sprichwort: „Willst du dein Land verändern, dann verändere deine Stadt. Willst du deine Stadt verändern, dann verändere deine Straße. Willst du deine Straße verändern, dann verändere dein Haus. Willst du dein Haus verändern, dann verändere dich.“

Die nächste Kanzelrede ist wie in diesem Jahr mit Gregor Gysi („Braucht unsere Gesellschaft Gott?“) ebenfalls Teil der dann 40. Duisburger Akzente, die den Titel „Utopien“ trägt. Die Bundestagsabgeordnete und Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag, Katrin Göing‐Eckard,t spricht am 17. März 2019 in der Salvatorkirche zum Thema „Klimagerechtigkeit – mehr als eine Utopie“.

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