Interview mit Söke Dinkla Unser kollektives Gedächtnis

Duisburg · Die Direktorin des Lehmbruck-Museums über private und öffentliche Museen und die Museumslandschaft.

 Söke Dinkla ist Direktorin des Lehmbruck-Museums.

Söke Dinkla ist Direktorin des Lehmbruck-Museums.

Foto: Ralf Schultheiß

Wie sehen Sie den Stellenwert des Lehmbruck-Museums in der nordrhein-westfälischen Museumslandschaft?

Dinkla Das Lehmbruck-Museum gehört ohne Zweifel zu den herausragenden Museen für moderne Skulptur nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in ganz Europa. Das Lebenswerk von Wilhelm Lehmbruck, einer der wichtigsten deutschen Bildhauer seiner Zeit, wird hier so umfassend präsentiert wie in keinem anderen Museum weltweit. Es lohnt sich also allein schon wegen der besonderen Qualität der Sammlung nach Duisburg zu kommen. Mit unserer Sammlung und auch durch unsere internationalen Ausstellungen können wir unser Museum ohne falsche Bescheidenheit zu den bedeutendsten Museen Deutschlands zählen. Nicht ohne Stolz empfingen wir die Prämierung als „Big Beautiful Building“, mit der das Gebäude als eines der schönsten und prominentesten Museen des Ruhrgebiets ausgezeichnet wurde. Es steht als Bauwerk, so die Initiative StadtBauKultur NRW, für eine bessere Zukunft, für eine „Zeit des Aufschwungs, geprägt durch Innovationsgeist und Experimentierfreude.“ Wer das Lehmbruck-Museum kennt, weiß, dass es eine ganz besondere Atmosphäre ausstrahlt, die jeden unserer Besucher in seinen Bann zieht.

 Die Ausstellung „The Walk“ von Jochen Gerz.

Die Ausstellung „The Walk“ von Jochen Gerz.

Foto: Sonja Rothweiler

Muss ein mit Mitteln der öffentlichen Hand geführtes Museum anders agieren als ein privates?

Dinkla Ja, das ist sicherlich so. Die Unterschiede zwischen einem privaten und einem öffentlichen Museum liegen auf der Hand: Ein privates Museum ist Ort einer Sammlung, die sich im Privatbesitz befindet und die nach den Vorlieben und Kriterien der Sammler entstanden ist. Ein wesentlicher Unterschied ergibt sich vor allem in Bezug auf die Erweiterung und auch die Möglichkeit des Verkaufs von Kunstwerken. So gibt es in einem privaten Museum, je nach dem Selbstverständnis der Sammler, ganz andere Handlungsspielräume als in einem öffentlichen Museum. Ein öffentliches Museum bewahrt eine Sammlung, die über die Jahrhunderte hinweg Bestand hat. Jedes Werk, das in die Sammlung aufgenommen wurde, ist Teil unseres kollektiven Gedächtnisses. Das macht die Museumssammlungen so wertvoll für die Zukunft. Jedes Werk ist mit dem Erwerb und der dauerhaften Aufnahme in die Sammlung eines öffentlichen Museums vor dem Weiterverkauf geschützt und der kommerziellen Verwertungskette entzogen.

Das bringt eine besondere Verantwortung mit sich...

Dinkla Ja, ein öffentliches Museum, wie das Lehmbruck-Museum, ist dem öffentlichen Bildungsauftrag verpflichtet: Es bewahrt, pflegt, präsentiert und vermittelt die anvertrauten Werke nach kunstwissenschaftlichen Grundsätzen. Dieses Wissen und neueste Erkenntnisse geben wir unseren Besuchern weiter und leisten so einen unschätzbaren Beitrag zur kulturellen Bildung, die an den Schulen immer weniger umfassend geleistet werden kann. Wir haben den Anspruch, Werte unserer Gesellschaft zu vermitteln, ein vom Humanismus getragenes Menschenbild, das gerade in Zeiten großer gesellschaftlicher Veränderungen Zusammenhalt stiften kann. Unser Museum ist, wie kaum ein anderes Museum der Nachkriegszeit, ein Symbol für Offenheit und Transparenz, für das Fundament einer damals noch jungen Demokratie, deren Errungenschaften wir durchaus pathetisch immer wieder aufs Neue vermitteln.

Wie gehen Sie mit dem Anspruch um, Wissenschaft und Publikumsgunst miteinander zu verbinden?

Dinkla Beides gehört bei uns zusammen. Teil einer Ausstellung und auch einer Sammlungspräsentation ist es immer, neue Ansätze und Ideen zu formulieren, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen und Neues zu vermitteln, das macht unsere Arbeit aus und das macht sie so spannend. Besonders in Bezug auf das Werk Wilhelm Lehmbrucks haben wir das Ziel, ein Ort der Forschung zu sein und der Wissenschaft ein Forum zu geben. Aus diesem Grund habe ich im Jahr 2015 die „Lehmbruck Lectures“ eingeführt, die wir seitdem mit großem Engagement für das Fachpublikum durchführen: Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Teilen Europas haben inzwischen ihre neuesten Forschungsergebnisse und ihr Wissen bei uns im Museum präsentiert und zur Diskussion gestellt.

Welche Wünsche fürs Museum sind bei Ihnen noch offen?

Dinkla Ich wünsche mir, dass wir zukünftig wieder größere Spielräume bekommen, unsere Sammlung durch Erwerbungen zu erweitern, denn das gehört zu den grundlegenden Aufgaben jedes Museums. Diese Aufgabe, der wir seit einigen Jahren nur noch sehr eingeschränkt gerecht werden können, gilt es wieder verstärkt in den Blick zu nehmen. Dass unser Ausstellungsetat historisch niedrig ist, ist ja hinlänglich bekannt. Es geht allerdings nicht nur ums Geld. Insgesamt wünsche ich mir, dass es uns gelingt, die Bedeutung des Museums noch stärker in der Stadt selbst zu verankern. Das ist eine große Kommunikationsaufgabe.

Andere Museen haben eigene Cafés und Shops. Steht so etwas nicht auf Ihrer Wunschliste?

Dinkla Wenn Sie mich so fragen, gibt es natürlich noch mehr Wünsche: Nicht nur ich, sondern alle meine Mitarbeiter und auch unsere Besucher wünschen sich ein größeres Haus mit Platz für ein schönes Café, für einen Museumsshop und einen Veranstaltungssaal, alles Räume, die heute gewissermaßen selbstverständlich sind für ein Museum im 21. Jahrhundert, das große Pläne für die Zukunft hat.

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