Duisburger Geschichten und Geschichte Ein fast vergessener Maler

Duisburg · Helmuth Liesegang war ein Mann der Düsseldorfer Malerschule. Er brachte den Niederrhein auf die Leinwand.

 Liesegangs Gemälde „Altwasser am Niederrhein“ stammt aus dem Jahre 1899.

Liesegangs Gemälde „Altwasser am Niederrhein“ stammt aus dem Jahre 1899.

Foto: Horst Kolberg

Das stimmungsvolle Landschaftsbild „Altwasser am Niederrhein“ verknüpfen Kunstexperten und Heimatverbundene mit dem fast vergessenen Duisburger Maler Helmuth Liesegang. Das Bild gehört heute zum Bestand des Kunstpalastes in Düsseldorf. „Die Natur diktiert mir die Gesetze, nach denen ich arbeite“. Diesem Leitmotiv ist Liesegang sein Leben lang treu geblieben. Dem Wandel zur Abstraktion Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verweigerte er sich. Dies ließ seine selbst gewählte Abgrenzung nicht zu, so suchte er beharrlich seine Motive nahezu ausschließlich am Niederrhein und in den benachbarten Niederlanden. Als überzeugter Freilichtmaler war Liesegang den Impressionisten nahe verwandt. Er entwickelte dennoch einen eigenen Stil. Dabei verschloss er sich auch im höheren Lebensalter nicht dem Wandel der Kunstauffassungen, was sich in einem Sinn für stärkere Farben äußerte.

Geboren wurde Helmut Liesegang am 18. Juli 1858 in Duisburg im Hause Niederstraße 39. Sein Vater wirkte als Oberlehrer am Landfermann-Gymnasium, ehe er als Direktor des Gymnasiums in Kleve mit der Familie nach dort übersiedelte. Ganz dicht vor der aufstrebenden Industriestadt Duisburg lagen inmitten üppiger Wiesen und Kornfelder Meiderich und Duissern – unberührte Dörfer mit hell getünchten Bauernhäusern unter alten Bäumen. Das mag den jungen Liesegang inspiriert haben, die Umbruchzeit später malerisch zu dokumentieren. Denn die wachsende Industrie am Rhein veränderte mit ihren Fabrikanlagen das Gesicht der Landschaft und Liesegang ahnte, dass der Platz für geruhsame Idylle mehr und mehr eingeschränkt wurde. So schrieb er in einem Brief: „Unwiederbringlich geht bei dem mächtigen, unaufhaltsamen Vordringen der Industrie die Schönheit der niederrheinischen Landschaft dahin. Da wird vielleicht manches Bild von mir eine Erinnerung sein an das, was einst war.“

Aber man würde Liesegang nicht gerecht, wollte man ihn nur als Darsteller alter Fischerhäuschen am Rhein mit rauschenden Weiden oder reizvoller Dorfidylle darstellen. Er vermittelte kein fotografisches Abbild der Landschaft, sondern verschaffte dem Betrachter eine emotionale Bindung zur Heimat. Der Wiedererkennungswert ist für den Betrachter auch deshalb so groß, weil es Liesegang gelang, das Typische und Atmosphärische der Landschaft verbunden mit dem Wechsel der Jahreszeiten am Niederrhein einzufangen.

 Das Geburtshaus Liesegangs in der Niederstraße wurde 1943 bei einem Luftangriff der Briten zerstört.

Das Geburtshaus Liesegangs in der Niederstraße wurde 1943 bei einem Luftangriff der Briten zerstört.

Foto: Stadtarchiv Duisburg

Von 1877 bis 1886 war er Schüler von Eugen Dücker, der den Umbruch von der traditionellen zur modernen Malerei in Düsseldorf einleitete. Zahlreiche Düsseldorfer Landschaftsmaler, wie Clarenbach, Jernberg, Kampf oder Hermanns haben der Dücker-Klasse der Akademie angehört. Liesegang verstand sich in erster Linie als Maler. Radierungen und farbige Zeichnungen komplettieren sein künstlerisches Wirken. Bis ins hohe Alter behielt er seine Schaffenskraft. Stolz sei er darauf, ein Sohn des Niederrheins, ein Sohn Duisburgs zu sein, bekannte der Altmeister der Landschaftsmalerei. Im Alter von 87 Jahren verstarb er 1945 in Leipzig.

Ist der künstlerische Gehalt seines Lebenswerkes auch international unbestritten, so empfanden viele Zeitgenossen seine Werke in Zeiten des Wiederaufbaus als rückwärtsgewandt. Landschaftsbilder standen im Schatten des Wirtschaftswachstums. Heimat und Identität umwehte gar ein Blut-und-Boden-Geruch aus der NS-Zeit. Vielleicht braucht es manchmal eine oder gar zwei Generationen, um wieder einen unverkrampften Zugang zur Kunst der Landschaftsbilder und zur Heimat gewinnen. Heute hat das Thema „Heimat und Natur“ eine solche Konjunktur, dass Werke von Liesegang auf dem Kunstmarkt gefragt sind. Die erzielten Auktionspreise bestätigen das Interesse an seinen Werken.

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