Kunstprojekt „The Walk“ nimmt Gestalt an

Duisburg · Der Aufbau des ungewöhnlichen Kunstprojekts von Jochen Gerz im und rund um das Lehmbruck-Museum ist in vollem Gange. Zurzeit werden Tausende Buchstaben aufgeklebt und der Steg rings um das Museum aufgebaut.

 Der Steg auf der Seite des Museumshofes steht weitgehend.

Der Steg auf der Seite des Museumshofes steht weitgehend.

Foto: Peter Klucken

Wie das große Kunstprojekt von Jochen Gerz genau realisiert werden soll, wurde im Juli beim ersten Pressegespräch, das dazu anberaumt worden war, noch nicht verraten. Wer jetzt zum Lehmbruck-Museum kommt, kann es sich aber schon gut vorstellen. Zumal RP-Leser seit gestern den Text nachlesen können, der nun nach und nach an den Glasscheiben des Lehmbruck-Museum aufgeklebt wird. Die Beilage, die gestern der RP beilag, gehört mit zum einzigartigen Konzept der wohl ungewöhnlichsten „Ausstellung“, die jemals im Lehmbruck-Museum realisiert wurde.

„The Walk“ ist Jochen Gerz’ erste Museumsausstellung seit 15 Jahren. Eigentlich hatte der international agierende Künstler nämlich dem Museumsbetrieb den Rücken gekehrt. „Die schönsten Galerien der Welt sind die Straßen, die Städte und Vorstädte“, sagt er, wenn man ihn nach seiner Scheu vor dem Kunstbetrieb fragt. So war Gerz anfangs auch eher abweisend, als ihn Museumsdirektorin Söke Dinkla fragte, ob er nicht doch an einer Retrospekive seines bisherigen Lebenswerkes im Lehmbruck-Museum interessiert sei. War er nicht!

Aber es kam doch zu einer Einigung zwischen Künstler und Museum. „The Walk“, ausdrücklich als „keine Retrospektive“ im Untertitel gekennzeichnet, ist keine Ausstellung im üblichen Sinne. Es werden keine Werke ausgestellt, die man nach Erwerb einer Eintrittskarte im Museum besichtigen kann. Statt dessen nutzt Gerz die großen Glasfassaden des Lehmbruck-Museums, um dort jenen autobiographisch gefärbten, kultur- und gesellschaftspolitischen Text aufbringen zu lassen, den man seit gestern in der Broschüre nachlesen kann, der dieser Zeitung beilag.

 Mit Folien werden die Buchstaben spiegelverkehrt aufgeklebt.

Mit Folien werden die Buchstaben spiegelverkehrt aufgeklebt.

Foto: Peter Klucken

Der Text ist eine Mischung aus Erzählung, Essay, Bericht, Analyse, lexikalischen Erklärungen und subjektiven Einschätzungen. Zugleich ist er ein schriftlicher Durchgang durch acht Jahrzehnte. Angefangen beim Geburtsjahr des Künstlers (1940) bis zur Gegenwart. Dieser Text füllt in der Beilagenbroschüre, die auch kleine Dokumentationsfotos enthält, rund 30 Seiten. Spätestens am Tag der „The Walk“-Eröffnung am Sonntag, 23. September, soll dieser Text vollständig an den großen Glasscheiben des Lehmbruck-Museums zu lesen sein. In diesen Tagen werden Tausende rote Buchstaben spiegelverkehrt an den Innenseiten der Scheiben aufgeklebt, damit sie von außen gelesen werden können.

Der Text ist aber nur ein Teil des Projekts. Das Lesen soll auch zu einer körperlichen Erfahrung werden. Der schriftliche Durchgang durch acht Jahrzehnte soll auch zu einem physischen Gang werden. Rings um das gesamte Museum wird nun ein wellenartiger Steg gebaut. Die Besucher sind eingeladen, auf diesem Steg die Textpassagen nach und nach zu lesen.

Am gestrigen Dienstag wurden die Arbeiten für diesen Steg am Skulpturenhof des Museums durchgeführt, während die Buchstaben in der Nähe des Haupteingangs von zwei Mitarbeitern mit Hilfe von speziellen Folien geklebt wurden.

Wer in diesen Tag die Vorbereitungsarbeiten für „The Walk“ beobachtet, kann ahnen, wie intensiv die zwei Jahre währenden Planungen für dieses, Genre-sprengende Projekt waren, das dank vieler Förderer möglich wurde.

„The Walk - Keine Retrospektive“ kann bis zum 5. Mai 2019 vor, am und im Lehmbruck-Museum erlebt werden.

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