Christoph Brockhaus wird 75 Kunstversteher und Kunstvermittler

Duisburg · 25 Jahre lang war Christoph Brockhaus Direktor des Lehmbruck Museums. Er hat das Museum mit seiner von demokratischen 68-Idealen geprägten Art verändert. Am 24. August wird er 75 Jahre alt.

             Christoph Brockhaus im Interview.  Foto: Probst

Christoph Brockhaus im Interview. Foto: Probst

Foto: Andreas Probst/Andreas Probst (apr)

Zehneinhalb Jahre ist es her, dass Christoph Brockhaus als Direktor des Lehmbruck Museums in den Ruhestand verabschiedet wurde. Seitdem hat sich Brockhaus stets zurückgehalten, wenn das Museum, in dem er „wie zwei“ gearbeitet hatte und an dem sein Herz bis heute hängt, in die Schlagzeilen geraten war. „Ich weiß, dass jeder Nachfolger seine eigenen Vorstellungen verwirklichen möchte, und ich weiß auch, dass ungefragter Rat von Vorgängern nicht erwünscht ist“, sagt er zur Begründung seiner Zurückhaltung. Das ist typisch für Brockhaus, der nie ein polternder Egomane war, obwohl er seine Überzeugungen immer mit Nachdruck vertrat und vertritt. Am 24. August wird Brockhaus, der seinen Elan bewahrt hat und dem es gesundheitlich sehr gut geht, 75 Jahre alt.

Die schönste Abschiedsrede hielt einst am 17. Januar 2010 der frühere Duisburger Stadtdirektor Herbert Krämer als Vorsitzender des Freundeskreises Lehmbruck Museum. Er sagte damals überaus treffend einen Satz, den auch der Autor dieser Zeilen aus eigener Erfahrung unterstreichen kann: „Das Sprechen über Kunst ist eine Kunst für sich; es ist Ihre Kunst, Herr Brockhaus.“

Christoph Brockhaus ist in der Tat ein Kunstversteher und Kunstvermittler, wie man es sich in dieser Kombination nur wünschen kann. Das kann man bei der Lektüre von zahlreichen Katalogtexten noch heute nachvollziehen, das merkten die Besucher bei jeder Einführung zu den zahlreichen Ausstellungen während der 25 Jahre, in denen Brockhaus das Lehmbruck Museum als Direktor leitete. Und das merkten auch die Journalisten bei den Pressekonferenzen, zu denen Brockhaus einlud. Seine Kunstbeschreibungen sind stets exzellent, künstlerischer Einfühlungssinn und kunstwissenschaftliches Einordnundsvermögen ergänzen sich dabei auf ideale Weise.

Für seinen Beruf war Brockhaus, der in Lübeck geboren wurde, gut gewappnet. Er studierte an den Universitäten in Hamburg, Wien, als Stipendiat in Austin (Texas) und Heidelberg Kunstgeschichte als Hauptfach und zahlreiche Nebenfächer, darunter Klassische Archäologie, Philosophie und vergleichende Religionswissenschaft. Seine Doktorarbeit schrieb er über das grafische Werk von Alfred Kubin. Nach einer Dozententätigkeit am amerikanischen Schiller-Colleg in Heidelberg wurde er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am im Aufbau befindlichen Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen. Von dort aus ging er 1979 nach Köln. Brockhaus wurde Leiter der Grafik- und Fotosammlung des Museums Ludwig und Sonderbeauftragter für den Neubau des Wallraff-Richartz-Museums/ Museum Ludwig. 1985 löste er schließlich Siegfried Salzmann, der nach Bremen zog, als Direktor des Lehmbruck Museums ab.

Unter Brockhaus geschah nicht nur der Erweiterungsbau des Museums und die Sanierung des Altbaus, Brockhaus gab dem Museum vor allem ein unverwechselbares Profil: Er machte aus dem Museum ein Zentrum der modernen europäischen Skulptur. Nur in Duisburg kann man einen so umfassenden und qualitativ hochstehenden Überblick über die bildhauerischen Werke von Lehmbruck bekommen. Brockhaus war es auch, der den Blick viel früher als andere auf die Kunst in Osteuropa lenkte. Sein Engagement und guter Ruf führten dazu, dass er die international bedeutsame Schau „Europa, Europa“ in Bonn, ein Gegengewicht zur „Westkunst“-Ausstellung in Köln, maßgeblich gestaltete.

Brockhaus war nie ein elitärer Museumsmann. Geprägt von demokratischen 68er-Idealen, versuchte er stets, Kunst „allen“ Menschen zu vermitteln. Bei seinem Redaktionsbesuch sagt er jetzt: „Anfangs habe ich geglaubt, man kann mit kontinuierlicher Bildungsarbeit den kleinen Kreis von Kunstkennern allmählich in einen großen Kreis von Kunstkennern verwandeln. Heute habe ich eine etwas andere Einstellung. Nämlich die, dass es tausend Wege zum Kunsterlebnis gibt.“

Fest steht, dass Brockhaus zu den ersten Museumsdirektoren gehört, die systematisch eine Museumspädagogik aufgebaut haben. Ein Jahr kämpfte er um eine feste Stelle. Als es endlich soweit war, hat Klöckner die Stelle von Cornelia Brüninghaus-Knubel, die sich als ideale Mitarbeiterin erwies, für ein Jahr finanziert. Die Initiative hatte Erfolg: Cornelia Brüninghaus-Knubel blieb bis zu ihrer Pensionierung dem Museum erhalten. Längst gilt die museumspädagogische Arbeit des Lehmbruck Museums als vorbildlich.

Brockhaus wirkte nicht nur im Museum, sondern auch im „öffentlichen Raum“. Er nutzte den Kantpark als erweitertes Museum, er setzte sich für Kunst in Grünanlagen, in den neuen U-Bahnhöfen und auf der Straße ein. Und ohne seine Überzeugungskraft wäre die Riesenskulptur von Lutz Fritsch „Rheinorange“ an der Mündung von Ruhr und Rhein gewiss nie errichtet worden. Die Umwandlung des Lehmbruck Museums in eine Stiftung und die Sicherung des Lehmbruck-Nachlasses waren die großen Herausforderungen, die Brockhaus in seinen letzten Amtsjahren bewältigt hat. Während seiner Zeit als Duisburger Museumsdirektor hat Christoph Brockhaus, der zwischenzeitlich mit dem Professoren-Titel geehrt wurde, die Sammlung des Lehmbruck Museums verdreifacht!

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