Förderverein Hilfe in der letzten Lebensphase

Der Förderverein Palliative Arbeit Duisburg hat sich zum Ziel gesetzt, mehr Menschen den letzten Weg in ihrer gewohnten Umgebung zu ermöglichen. Vier von fünf Menschen möchten am liebsten zu Hause sterben. Tatsächlich sind es nur rund 20 Prozent. Der Verein unterstützt Betroffene, Angehörige und Helfer.

 Die Begleitung schwerkranker Menschen in ihren letzten Lebenstagen überfordert nicht nur Angehörige – auch professionelle Kräfte stoßen hier schon mal an ihre Grenzen.

Die Begleitung schwerkranker Menschen in ihren letzten Lebenstagen überfordert nicht nur Angehörige – auch professionelle Kräfte stoßen hier schon mal an ihre Grenzen.

Foto: Jens Wolf/dpa

Es sind erschütternde Eindrücke, von denen Malgorzata Szajkowska berichtet. Sie und ihr rund 50-köpfiges Team vom ambulanten Pflegedienst medidoc machen immer wieder die Erfahrungen, vor welchen alltäglichen Problemen Menschen in der letzten Lebensphase stehen. Und da sind auch oft die professionellen Helfer schon mal hilflos.

Da gibt es den Haushalt mit dem bettlägerigen, totkranken Menschen – und der Kühlschrank ist leer. Weil sich niemand gefunden hat, der mal einkaufen gehen könnte. Kinder und Verwandte wohnen weit weg, und der Wille, lieber zu Hause zu sterben als in einer Pflegeeinrichtung, ist einfach übermächtig. In einem anderen Fall steht der pflegende Angehörige ohne einen einzigen Cent da, um einkaufen zu können. „Das Pflegegeld wird erst in zwei Tagen überwiesen – das war die Antwort auf die Frage nach dem Warum“, berichtet Malgorzata Szajkowska. Selbst den Fall des überforderten Sozialarbeiters gibt es. Der musste seine eigene Hilflosigkeit eingestehen, weil einer seiner Schützlinge in der Schule immer weiter absackte. Der Grund: Zu Hause musste sich der Schüler um ein allein lebendes, krebskrankes Elternteil kümmern. Da kam dann auch die Sozialarbeit an ihre Grenzen. Vergleichsweise harmlos ist da noch die Situation, dass der kranke Mensch im Dunkeln lag – weil niemand da war, der eine Glühlampe eindreht. Das alles gibt es in Duisburg, im 21. Jahrhundert.

Häufig können die Kräfte des ambulanten Dienstes solche Dinge nur schwer ertragen und helfen selbst aus: Sie gehen einkaufen, sorgen für Licht oder strecken Geld vor, stehen mit Rat und Tat zur Seite. Doch eigentlich erlaubt die enge zeitliche Taktung der Pflegekräfte so etwas gar nicht. „Die Mitarbeiter machen das quasi ehrenamtlich, in ihrer Freizeit“, so Malgorzata Szajkowska. Als sich die Fälle häuften, war der Schritt bis zur Gründung des Fördervereins für Palliative Arbeit nicht mehr weit.

„Vertiefte palliative Arbeit gehört weder in der Alten- noch in der Krankenpflege zur normalen Ausbildung. Für so etwas muss man sich zusätzlich weiterbilden“, so Malgorzata Szajkowska, die Vorsitzende des Fördervereins. Ihr Stellvertreter ist der Oberhausener Hartmut Kowsky-Kawelke, Beisitzer ist Heinz Hillen, Betreiber der Bahnhofsapotheke in Duisburg. Wenn schon professionelle Pflegekräfte häufig beim Umgang mit Sterbenden überfordert sind, wie soll es da erst Angehörigen gehen? Sie brauchen frühzeitig Unterstützung, um nicht selbst krank zu werden. Wer sich – häufig Tag und Nacht – um totkranke Angehörige kümmern muss, kommt ohne fremde Hilfe nicht aus. Und oftmals hat er auch keine Zeit, um sich um Dinge zu kümmern wie Pflegebetten oder medizinische Alltagshilfen und spezielle Dinge wie die richtige Mundpflege bei Schwerkranken. Im Übrigen haben pflegende Angehörige weder Zeit noch Nerven, um sich mit Kranken- und Pflegekassen herumzuschlagen oder umständlich Anträge und Formulare auszufüllen.

„Viele Angehörige kommen häufig viel zu spät zu uns, nämlich dann, wenn sie selbst nicht mehr können“, berichtet Malgorzata Szajkowska. Der Förderverein hat es sich zum Ziel gesetzt, die Aus- und Weiterbildung der in der Palliativarbeit tätigen Menschen zu unterstützen. Vor allem geht es aber auch darum, Menschen zu helfen, deren Lebenszeit aufgrund einer unheilbaren Erkrankung nur noch sehr begrenzt ist. Die Unterstützung kann dabei finanzieller, aber auch sachlicher Art sein. So werden auch die letzten Wünsche Schwerkranker ernst genommen. Und wenn die Angehörigen es nicht mehr schaffen, dann kann der Verein dabei helfen, noch einmal einen Besuch im Stadion, im Zoo oder im Museum zu ermöglichen. Zu den Angeboten gehört unter anderem auch eine Seminarreihe „Letzte Hilfe“ für betroffene Angehörige. Schließlich ist der Umgang mit Todkranken häufig für viele alles andere als leicht. „Wie soll ich dem Betroffenen begegnen?“ „Welche Hilfe und Unterstützung kann ich als Laie überhaupt anbieten?“ „Ist mein häusliches Umfeld für die Versorgung des Patienten geeignet?“ – diese und ähnliche Fragen werden dort behandelt. Hier helfen die Expertinnen des ambulanten Palliativ-Pflegedienstes medidoc weiter. Für dieses Jahr bietet der Förderverein noch einige Veranstaltungen an (siehe Box),.

In Duisburg sterben jedes Jahr rund 6000 Menschen. Die Zahlen schwanken, aber im Hospiz beenden rund vier Prozent ihr Leben, in Alten und Pflegeeinrichtungen bis zu 30 Prozent, gut die Hälfte stirbt im Krankenhaus. Nur etwa ein Fünftel bis ein Viertel stirbt zu Hause – obwohl dies eigentlich der Wunsch der überwiegenden Mehrheit wäre.

Kontakt: Förderverein für Palliative Arbeit Duisburg e.V., Friedrich-Wilhelm-Straße 18, 47051 Duisburg, Telefon 0176 34519244, E-Mail: kontakt@palliative-arbeit-duisburg.de, Internet: www.palliative-arbeit-duisburg.de

(mtm)
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