Nachlassband von „Hajo“ Barkenings Warnung vor Redeschlachten

Duisburg · In der Salvatorkirche wurde das Buch „Ein Lächeln, eine Angst“ von „Hajo“ Barkenings vorgestellt. Herausgeber des Buches, persönlicher Freund des Verstorbenen und künstlerischer Kopf der Publikation ist Okko Herlyn.

   Herausgeber Okko Herlyn inszenierte die Lesung in der Duisburger Salvator- kirche.

Herausgeber Okko Herlyn inszenierte die Lesung in der Duisburger Salvator- kirche.

Foto: Janicki, Dietrich (jd-)

Treffender hätten Verlag und Herausgeber die Vorstellung des Buches „Ein Lächeln, eine Angst“ am 9. November in der Salvatorkirche nicht veranstalten können, markiert dieser Tag doch zum einen das Ende des Ersten Weltkriegs vor genau einhundert Jahren und zum anderen die Zerstörung der Duisburger Synagoge auf der Junkernstraße in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. Autor der im Mercator-Verlag erschienenen Buchveröffentlichung ist der vor zwei Jahren verstorbene ehemalige Duisburger (Studenten-)Pfarrer und Dichter Hans-Joachim („Hajo“) Barkenings (1933-2016). Herausgeber des Buches, persönlicher Freund des Verstorbenen und künstlerischer Kopf der besagten Buchvorstellung ist der Theologe und literarische Kleinkünstler Okko Herlyn.

„Nie wieder Krieg!“ – Käthe Kollwitz‘ berühmtes Zitat war Barkenings wichtigstes Lebensthema. Er, der am 9. Oktober 1933 in Ostpreußen geboren wurde, lebte zeitlebens mit dem empfundenen Makel, dass auf seiner Geburtsanzeige die Formulierung „Ein Kind für den Führer“ stand. „Dieses Kind fühlte sich allerdings bis zu seinem Lebensende von jenem Führer zutiefst betrogen. Betrogen um seine Kindheit, betrogen um den Großteil seiner Jugend, betrogen um einen Vorschuss an Vertrauen, um Ideale und Menschlichkeit“, heißt es in Herlyns Einleitung zum Buch, aus der er zu Beginn der Veranstaltung zitierte.

 „Ein Lächeln, eine Angst“ ist im Mercator-Verlag erschienen.

„Ein Lächeln, eine Angst“ ist im Mercator-Verlag erschienen.

Foto: Mercator-Verlag

Die Lesung selbst, die von ihm und seinem älteren Bruder Hartmut, von Herlyns Ehefrau Heike Kehl nebst Tochter Pia sowie von Herlyns Bühnenkollegin Irina Scholten sprecherisch bestritten wurde, orientierte sich inhaltlich am dramaturgischen Aufbau des Gedichtbandes und seinen zehn Kapiteln. Die von Jörg Hoffmann vorgetragene Cello-Musik, diente wie im Buch die weißen Seiten, hier als Zwischenraum für Kapitelübergänge. Überhaupt ist das Buch äußerst ansprechend aufgebaut und hergestellt: Dazu gehören sein handliches Format, der farblich schlichte Einband mit edlem Umschlagfoto auf dem Cover sowie eine gut lesbare Typografie mit kreativer Satzgestaltung. Herlyn: „Es ist ein Buch, das man gerne in die Hand nimmt, auch wenn man sich bei manchen Texten warm anziehen muss.“

Einer jener Texte ist zum Beispiel der „Fürs Lesebuch“. Dieser erzählt von einem Juden, der am 10. November 1938 in der Frühe blutüberströmt in einem Rinnstein liegt. Nachdem erst ein „Hoheitsträger der Partei“, dann ein „guter Bürger“ einfach vorbeigingen, kam als dritter ein Christ, der schließlich half. Doch die Geschichte endet böse: der Christ kam gar nicht. Stattdessen hatte der „gute Bürger“ die Polizei gerufen. Der Prosatext endet mit dem Satz: „Der Jude starb gegen Abend im Gestapohauptquartier, noch ehe man ihn in ein Konzentrationslager überführen konnte“.

Den versöhnlichen Teil dieser Geschichte las in der Lesung Heike Kehl, den bösen dagegen Okko Herlyn. Ohnehin hatte dieser viele der poetischen Barkenings-Texte mit den Stimmen mehrerer bis aller Mitwirkenden besetzt. Und neben der Mehrstimmigkeit wurde sogar einmal chorisch gelesen. Selbst gesungen wurde, als nämlich der Text von „Party“ vorgetragen wurde, in dem Heino mit „Hell die Gläser klingen…“ zitiert wird. Während dieses Liedchen von Okko Herlyn im Heino-Stil gesungen wurde, erklang wenig später ein Songausschnitt der „Les Humphries“, eingesungen von der jungen Pia Kehl.

Kurz vor Schluss kam noch eine kleine Auswahl Barkenings‘scher „Miniaturen“ zu Wort, das sind nämlich kürzeste Prosatexte und Aphorismen. So zum Beispiel: „Auch Redeschlachten hinterlassen Tote und Verletzte.“ Oder: „Grundwerte der Deutschen: Fressen. Saufen. Vögeln. Autowaschen.“ Das Gedicht „Chanson Macabre“ aus dem gleichnamigen Kapitel „Sag, wirst du wachen“ setzte dann schließlich den Schlusspunkt unter eine abwechslungsreich dargebotene Lesung.

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