Erinnerungskultur Stolperstein für August Zgorzelski

Duisburg · Im Zentrum für Erinnerungskultur erinnerte der Bochumer Psychologe Jürgen Wenke an das Schicksal von August Zgorzelski, der als homosexueller Krupparbeiter 1944 im KZ Buchenwald einen elenden Tod gestorben ist.

 August Zgorzelski wurde wegen seiner Homosexualität von den Nazis verfolgt. Sein Leben endete im Alter von 40 Jahren im KZ Buchenwald.

August Zgorzelski wurde wegen seiner Homosexualität von den Nazis verfolgt. Sein Leben endete im Alter von 40 Jahren im KZ Buchenwald.

Foto: Jürgen Wenke/Jürgen Wenke

Was eine wellige Nase ist, können auch die Menschen im Zentrum für Erinnerungskultur (ZfE) nicht nachvollziehen. Denn so lautet die Beschreibung von August Zgorzelski, der als homosexueller Krupparbeiter 1944 im Konzentrationslager Buchenwald einen elenden Tod gestorben ist.Und noch mehr steht auf der Häftlings-Personalkarte, die der Psychologe Jürgen Wenke hier genau nachzeichnete: Seine Augenfarbe, seine Gesichtsform, Nase, Mund, Ohren, Sprache.

 Wenke ist voll im Thema, als ehemaliger Leiter der Schwulen- und Lesbenberatung in Bochum hat er es sich zur Lebensaufgabe gemacht, über die Verfolgungen von Schwulen während der Zeit des Nationalsozialismus zu forschen. Und vorzutragen. Nach der kurzen Begrüßung von Joachim Müller vom Referat für Gleichberechtigung und Chancengleichheit der Stadt Duisburg kann Jürgen Wenke mit insgesamt 57 beeindruckenden Bildern loslegen.

Doch zuerst spielt er das „Lila Lied“, die erste Hymne der Homosexuellen von 1920, die damals großen Erfolg hatte. „Wir marschieren im Gleichschritt der Moral“, heißt es, und „Wir sind nun mal anders“ oder „Wir leiden nicht mehr, sondern sind gelitten“. Gelitten haben die Homosexuellen im Dritten Reich. Und dass August Zgorzelski sterilisiert wurde, weil er „sämtliche Taten in wollüstiger Absicht“ begangen habe, das steht hier auch. Dabei war dieser Mann einfach nur in der falschen Zeit auf der Welt. Und nun erinnert der fünfte Stolperstein in Duisburg an den Duisburger, der 1904 hier geboren wurde und in der Nähe des Zentrums für Erinnerungskultur am Karmelplatz seine letzte Unterkunft hatte.

Eine eigene Wohnung hatte der ungelernte Arbeiter nie bezogen, doch durch das Leben kam der Mann offenbar ziemlich gut. Er konnte jedenfalls ausreichend für sich selber sorgen und verdiente sein Geld. Zuletzt arbeitete er bei Krupp als Schmelzer, bevor er am 23. Mai 1938 wegen eines homosexuellen Kontakts zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Und während er im Gefängnis in Bochum einsaß, hatte das „Erbgesundheitsgericht“ Bochum ihn zur „Unfruchtbarmachung wegen angeborenen Schwachsinns“, so hieß es menschenverachtend, verdammt.

Und wieder wurde August Zgorzelski vom Landgericht Duisburg am 15. August 1941 verurteilt. Er hatte Sex mit einem Mann gehabt, die beiden nahmen sich ein Zimmer in einem kleinen Hotel in Duisburg, und dafür musste er büßen. Es folgen zwei Jahre und sechs Monate Gefängnishaft, diesmal in einer Anstalt in Anrath. Anschließend nahm ihn die Duisburger Polizei am 18. August 1943 in Vorbeugehaft und deportierte ihn am 7. Oktober 1943 in das Konzentrationslager Buchenwald.

„Jedem das Seine“ steht über dem Eingang. Das konnten die Bewohner von außen lesen. Hier starb August Zgorzelski am 8. Januar 1944 als Rosa-Winkel-Häftling Nr. 3204 angeblich an Magen- und Darmkatarrh. Dass er die letzten Monate seines Lebens im Steinbruch gearbeitet hatte, erfahren die Zuhörer an diesem Abend im ZfE hautnah. Steine brechen und Steine schleppen, das war täglich Brot. Gleichzeitig waren die Häftlinge in Buchenwald unterernährt und der schweren körperlichen Arbeit nicht gewachsen. Ärztliche Versorgung gab es für sie nicht.

Der Lebensweg des schwulen Krupparbeiters endete 1944 in Buchenwald. Dass der Vortrag „Durch den Kamin gehen“ überschrieben wurde, war bildhaft genug. Und die 57 Bilder insgesamt schwere Kost für die Seele.

 Die Verfolgung von Homosexuellen sei ein Thema, für das er sich interessiere und engagiere, sagte Jürgen Wenke. Es mache sonst niemand, den Lebensweg verfolgter Homosexueller im Dritten Reich nachzuzeichnen. Dass in Bochum, seiner Heimatstadt, schon bald insgesamt zwölf Stolpersteine liegen werden und in Duisburg immerhin schon fünf, erfülle ihn mit Stolz. „Gunter Demnig hat die Stolpersteine als Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus gefertigt“, erklärt der Bochumer. Wenkes eigenes coming out fand in den 80er Jahren statt. Er engagiert sich weiter für die Offenlegung der Verfolgung nach Paragraph 175.

Übrigens: Bis zum 11. Juni 1994 war der Paragraph 175 in Kraft, wonach Homosexualität strafbar war.

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