Interview mit dem DVV-Chef „Sie werden mit einem Fahrplan nie alle zufrieden stellen können“

Duisburg · DVV-Chef Marcus Wittig spricht im Interview über Trinkwasserknappheit, neue Straßenbahnen und Blockheizkraftwerke in Duisburg sowie die Zukunft des Konzerns.

 Marcus Wittg, Vorstandschef der Duisburger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft.

Marcus Wittg, Vorstandschef der Duisburger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft.

Foto: DVV/Daniel Tomszak

Im niedersächsischen Lauenau waren jetzt die Trinkwasserspeicher so leer, dass die Feuerwehr die Bevölkerung mit Brauchwasser versorgen musste, Trinkwasser musste sich jeder selbst kaufen. Ist so etwas auch in Duisburg denkbar?

Marcus Wittig Nein, da brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.

Warum?

 In Düsseldorf sind neue Straßenbahn-Typen des Herstellers Bombardier bereits auf der Schiene unterwegs.

In Düsseldorf sind neue Straßenbahn-Typen des Herstellers Bombardier bereits auf der Schiene unterwegs.

Foto: René Schleucher

Wittig Der Großteil unseres Wassers kommt aus großen Grundwasservorkommen, die durch den Rhein bzw. den Halterner Stausee angereichert werden. Die Grundwasserspeicher enthalten ein Vielfaches des Wassers, das jährlich verbraucht wird. Sie werden im Herbst und Winter nachgefüllt, wenn weniger Wasser verdunstet. Hitzeperioden im Sommer wirken sich auf die Vorkommen nicht so stark aus. Da ist kein Engpass zu befürchten.

In anderen Gegenden Deutschlands gibt es derzeit Appelle, sparsam mit Trinkwasser umzugehen und nicht etwa den Rasen zu sprengen oder Swimmingpools zu füllen. Hat die derzeitige Hitze auch Auswirkungen auf den Wasserverbrauch in Duisburg?

Wittig In der Tat stellen auch wir zurzeit einen erhöhten Wasserverbrauch fest. Durchschnittlich liegt er in Duisburg bei rund 90 Millionen Liter pro Tag, derzeit sind es 100 Millionen Liter. Das sind rund 200 Liter pro Kopf. Die Trinkwasserversorgung ist aber jederzeit sichergestellt.

Welche Folgen hat die Corona-Pandemie bisher für den DVV-Konzern gehabt?

Wittig Für die Stadtwerke sind die Auswirkungen nicht so gravierend wie für die DVG. Mit dem Lockdown Mitte März brach der Umsatz bei den Einzeltickets um 90 Prozent ein, das Jahresergebnis könnte um etwa acht bis zwölf Millionen Euro schlechter ausfallen. Die Fahrgastzahl liegt im Vergleich zum Jahresbeginn derzeit nur bei 55 bis 60 Prozent – und das wird wohl auch noch eine ganze Weile so bleiben.

Seit Mittwoch gilt der neue Fahrplan mit den Verbesserungen des Nahverkehrsplans. Nach dessen Umsetzung hatte es viel Kritik an der DVG gegeben, dabei ist die DVG doch nur ausführendes Organ. Was ist da schief gelaufen?

Wittig Das war schon ein Gemeinschaftswerk unter Beteiligung der DVG und basierte auch auf der Untersuchung der Auslastung von Linien. Man darf auch nicht vergessen, dass wir nun mehr als eine Million Kilometer pro Jahr zusätzlich fahren. Aber eines ist auch klar: Sie werden nie alle zufrieden stellen können. Das ist auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit.

Innerhalb des DVV-Konzerns erwirtschaften die Stadtwerke stets Gewinn, die DVG schreibt rote Zahlen. Lässt sich der ÖPNV auf Dauer nicht gewinnbringender organisieren?

Wittig Ein klares Nein. Das liegt allein schon an den Infrastrukturkosten. So kostet ein Diesel-Bus im Durchschnitt 350.000 Euro, ein Elektro-Bus rund 750.000. Dazu kommen Wartungskosten. Wenn Sie das Fahrzeug über 20 Jahre abschreiben, können Sie selbst ausrechnen, wie viele Tickets Sie da verkaufen müssten. Aber Bus und Bahn gehören nun einmal zur Daseinsvorsorge.

Die Neuanschaffungen bei den Straßenbahnen schlagen ja nun auch noch mit 135 Millionen Euro zu Buche…

Wittig Das ist richtig, die Verträge sind geschlossen. Dabei geht es um 47 Niederflurbahnen für die Linien 901 und 903 sowie 18 Hochflurbahnen für die U 79.

Wann werden die ersten neuen Straßenbahnen denn in Duisburg über die Schienen rollen?

Wittig Die erste Niederflur-Bahn wird schon in Kürze in Duisburg im Testbetrieb unterwegs sein. Ein Team von uns ist aktuell zur Abnahme beim Hersteller Bombardier in Bautzen vor Ort. Im Sommer 2021 sollen dann die ersten Fahrzeuge im regulären Betrieb unterwegs sein. Danach ist vorgesehen, dass jeden Monat zwei der neuen Straßenbahnen in Betrieb gehen.

Und wie ist der Stand bei den neuen Bahnen der U 79?

Wittig Hier läuft im Moment das Vergabeverfahren, das wir gemeinsam mit der Düsseldorfer Rheinbahn betreiben.

Wie geht der Konzern mit den Stichworten Energiewende, Klima- und Verkehrswende um?

Wittig In der Vergangenheit haben wir die Erfahrung machen müssen, dass sich die Welt schneller dreht, als wir arbeiten können. Das Ergebnis war unser Restrukturierungsprogramm „RePower“, bei wir mehr als 300 Arbeitsplätze sozialverträglich abbauen mussten. So etwas möchte ich nicht noch einmal erleben. Deshalb haben wir schon vor eineinhalb Jahren unser neues Programm „DVVision“ begonnen.

Was steckt dahinter?

Wittig Das ist ein interner Prozess, mit dem wir uns fit für die Zukunft machen. Wir wollen den Konzern so aufstellen, dass wir stets vorausschauend handeln, Entwicklungen und Trends frühzeitig bewerten und dafür Lösungen parat haben. Das gelingt nur, wenn wir dabei die Belegschaft mitnehmen. Zum Beispiel haben wir für uns wichtige 17 Themenfelder identifiziert und untersucht. Dabei stellen sich für uns eine Vielzahl an Aufgabenstellungen: Wie sieht die künftige Energieerzeugung aus? Werden Busse und Straßenbahnen bald autonom unterwegs sein? Werden Busse elektrisch betrieben oder mit Wasserstoff? Und wo käme der Wasserstoff dann her? Wer erzeugt ihn? Wichtig ist uns dabei, die Mitarbeiter intensiv einzubinden.

Das hört sich an, als ob hier weit in die Zukunft geplant wird.

Wittig Wir haben bereits mit der Umsetzung begonnen. Zum Beispiel bei der Energieerzeugung. So haben wir an einem Wettbewerb der Bundesnetzagentur teilgenommen und waren erfolgreich: Unser stillgelegtes Kohleheizkraftwerk I steht dabei im Mittelpunkt. Ein Teil bleibt als Hülle bestehen, darunter entstehen sieben neue moderne Blockheizkraftwerke. Sie leisten eine Energieerzeugung von 31,5 Megawatt und bedeuten im Endeffekt eine Einsparung von jährlich rund 20.000 Tonnen CO2.

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