25-jähriges Bühnenjubiläum Die getanzte Seele der Bettina Rutsch
Duisburg · Seit 25 Jahren steht die promovierte Literaturwissenschaftlerin Bettina Rutsch auch als Tänzerin auf der Bühne.
Widmung „Wenn wir uns darauf einigen können…“, schreibt der große Mozart-Biograf Wolfgang Hildesheimer (1916-1991), „…dass die Seele nicht existiert, so hat sie doch, als Inbegriff aller Bewusstseinsregungen, selbst kein Bewusstsein, denn das, was ist, ist nicht identisch mit dem, was dieses Seiende hat. Die Seele ist nicht der Anlass unseres Fühlens, Denkens oder Handelns, sondern wir bedienen uns ihrer unbewusst als Membran unseres Befindens und Empfindens.“ Wenn das so ist, hätten wir eine Antwort auf die Frage, warum eine Tänzerin das Nichtgesagte mit dem Körper vertanzt. Gelenkknorpel, als Membranen einer bewussten Gelenkigkeit; meist eine in Musik getakteten und getauchte Spiegelung unser Nichtwirklichkeit. Bei Hildesheimer heißt es weiter: „Sie (die Seele) zählt also nicht aus eigener Initiative, sondern wir lassen – oder vielmehr unser Unbewusstes lässt – sie zählen. Unser Bewusstsein hört aber nicht das Zählen, sondern sein Objekt: die Musik.“
Damals und heute Bei den 18. Duisburger Akzenten 1994, also vor exakt 25 Jahren, machte die Tänzerin Bettina Rutsch, mit der Tanzerzählung Axis Mundi von sich reden. Ihre superbe Mischung aus Tanz, Literatur und Theater beschreibt den Kosmos der promovierten Literaturwissenschaftlerin Bettina Rutsch. Nicht nur allein den Tanz, die Musik, oder die Literatur versucht sie in Ihrem Musik- und Tanztheater zu präsentieren, sondern sie inszeniert darüber hinaus auch den „Menschen“ auf der Bühne. Rutsch belebt ihre „Menschen“ durch Gedichte, Rezitationen, Vokalisen, Beleuchtungen, Kostümierungen, Maskierungen und natürlich nicht zuletzt durch ihren Tanz.
Mensch und Tänzerin Bettina Rutsch ist eine tanzende, anmutige aber auch wunde Seele. Sie springt, grätscht, hüpft, rennt, schreit, rezitiert in der Probe und der Aufführung mit ungeschützten, nackten Füßen über Marmor, Granit, Erde oder schwingende Tanzböden. Ihre Füße, wie alle Füße von Tänzerinnen und Tänzern, erzählen ihre ureigenste Geschichte über das harte Leben eines Tanzenden. Tänzerinnen und Tänzer sind die Fleißigsten und gleichzeitig schlecht bezahltesten Künstler in unserem ach so subventionierten Kulturbetrieb.
Ausblick Bettina Rutsch ging vor 25 Jahren ihren eigenen Weg am Rande des Unverstandenen und Schwierigen. In schwimmenden Assoziationen vertäuen sich Seelen- und Körperschlingen zu einmaligen Körperskulpturen. Erzählen von Rausch, Stille, Einsamkeit, Landschaft, Fruchtbarkeit und nicht zu vergessen, den archetypischen Traum der Liebe, Selbstliebe und des beim Künstler so naheliegenden Wunsch nach geliebt-werden, für das sie sich so sehr schindet. Um Bettina Rutsch haben sich im Laufe der Jahre eine Zahl von Freunden und Mitstreitern versammelt, die ihre Kunst schätzen und begleiten. Stellvertretend nannte Sie mir im Interview den Namen der Duisburger Tänzerin Ulla Weltike.
Entfesselt Wie in Ihrem Stück Axis Mundi möchte sie die Welt entfesseln, vertonen, beleuchten und vertanzen. Wir werden ihr hoch erfreut noch weitere Jahrzehnte zuschauen können. Denn: „Wer umgrenzt einen Menschen? Denn eines Menschen Wesen und eines Menschen Leib, wo ist die Grenze? Eines Menschen Leib und der Reden, Denken, Fühlen, und der anderen Menschen Reden. Denken, Fühlen, wo ist die Grenze?“ (Hugo von Hofmannsthal aus Axis Mundi von 1994.)
Das Neue und Zukünftige aus dem getanzten Seelenleben der Bettina Rutsch, findet man auf ihrer Homepage: www.bettinarutsch.de.