Nachruf auf Barbara Köhler „Ein ungewöhnlich mutiger Mensch“

Duisburg · Zum Tod der renommierten Dichterin und Künstlerin Barbara Köhler aus Ruhrort. Sie war Stadtschreiberin, Stipendiatin, Übersetzerin, Dozentin und Performancekünstlerin.

 Ein Foto von 2016: Lesung mit Barbara Köhler als nachträgliches Hochzeitgeschenk an die Café Kaldi-Betreiber Anika Huhn und Tjardo Harders.

Ein Foto von 2016: Lesung mit Barbara Köhler als nachträgliches Hochzeitgeschenk an die Café Kaldi-Betreiber Anika Huhn und Tjardo Harders.

Foto: Peter Jacques

Am Samstagnachmittag postete das „Kreativquartier Ruhrort“ auf seiner Facebook-Seite eine verschlüsselte Traueranzeige vom Tod der renommierten Dichterin und Künstlerin Barbara Köhler am Vortag. Dort zu lesen stand die letzte Strophe aus ihrem Gedicht „Jemand geht“.

„Jemand geht“, mit dem Untertitel „3 Fortschritte beziehungsweiser Logik für Anja Wiese & ein doppelter Schluß“, ist ein Gedicht aus dem Buch „Wittgensteins Nichte“, das 1999 erschien. Bei diesen äußerst poetischen Texten, rezensierte vor gut 20 Jahren die Neue Zürcher Zeitung, lohne es sich, genau hinzuhören. Genau hin- und zuhören, nachfragen und beobachten konnte auch die ihrem krankheitsbedingten Schicksal nicht entrinnen könnende, äußerst liebenswürdige Barbara Köhler, die am 8. Januar mit 61 Jahren viel zu früh verstarb.

Gut die Hälfte ihres Lebens (1959 bis 1993) verbrachte sie in Sachsen: Geboren zu DDR-Zeiten am 11. April 1959 in Burgstädt, aufgewachsen in Penig, Ausbildung und Abitur in Plauen, erste Arbeitsstellen im damaligen Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, Studium in Leipzig, dann Arbeit als freie Autorin.

1994 erfolgte ihr Umzug Richtung Nordrhein-Westfalen, das Ruhrgebiet und Duisburg, nach Ruhrort. Fast ebenso lange wohnte, arbeitete und lebte sie ununterbrochen dort ihre zweite Lebenshälfte.

Ruhrort wurde im Laufe der Zeit für sie eine Art Rückzugs- und Heimatort, von dem sich gut aus in alle Teile der Welt aufbrechen ließ, egal ob sie als Stadtschreiberin oder Stipendiatin, als Übersetzerin oder Dozentin beziehungsweise als Foto- oder Performancekünstlerin unterwegs war.

Während dieser Zeit gab es kaum eine deutsche Literaturauszeichnung, die sie nicht bekam: darunter der Clemens-Brentano-Preis, der Literaturpreis Ruhr, der Joachim-Ringelnatz-Preis, der Poesiepreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft, der Peter-Huchel-Preis, der Alice Salomon Preis und zuletzt der Ernst-Meister-Preis.

Trotz dieser beispiellosen Preise und Stipendien blieb Barbara Köhler eine eher bescheiden wohnende und zurückhaltend auftretende Person, die in Freundeskreisen durchaus aber sehr unterhaltsam und äußerst humorvoll sein konnte.

In Ruhrort traf man sie häufig auf dem Wochenmarkt oder – zu Zeiten von Anika Huhn und Tjardo Harders – im Café Kaldi. Dort machte sie 2016 ihre erste Ruhrorter Lesung überhaupt.

Eine gute Freundin von ihr beschrieb sie einmal als einen „ungewöhnlich mutigen Menschen“ und meinte damit unter anderem Köhlers Kritik am nach beabsichtigten Bau der sogenannten „Halle 2“ durch die Hafengesellschaft „duisport“ auf der Ruhrorter Mercatorinsel, die sie kreativ und eher leise als laut, wohl aber bestimmend vortrug. Wenige Tage danach im September 2017 bescherte Köhler dem Ruhrorter Lokal Harmonie eine lyrische Sternstunde mit einer Lesung aus ihrem Werk „42 Ansichten zu Warten auf den Fluss“.

Diese Lesung wiederholte sie im Jahre 2018 (die RP berichtete) inmitten der Ausstellung „Kunst und Kohle“ im Museum DKM. Doch nicht nur in Ruhrort, auch in Duisburg trat Köhler nach ihrem Umzug von Sachsen ins Ruhrgebiet erst spät auf. Es war das Oder-Rhein-Projekt „Literarische Bootsfahrten“ 2004. So oder so: Barbara Köhler bleibt unvergessen.

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