Duisburger Geschichte und Geschichten Das Blaue Wunder

Duisburg · Die UNESCO hat Ende 2018 den Blaudruck in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Im Kultur- und Stadthistorischen Museum findet der Besucher mehrere Objekte, die an das Handwerk erinnern.

 Ein Model mit Blumendekor aus dem Stadtmuseum. 

Ein Model mit Blumendekor aus dem Stadtmuseum. 

Foto: Harald Küst

Der Redensart „Du wirst ein blaues Wunder erleben“ geht auf das Blaufärberhandwerk zurück. Baumwolltextilien werden mit Indigo – ein natürlicher Pflanzenstoff – gefärbt. Die Textilien, die nach dem ersten Tauchgang aus einem Steinbottich mit Indigolösung gezogen werden, sehen zuerst gelb-grün aus und werden dann erst im Kontakt mit der Luft blau.

„Es waren Stoffe überwiegend für den Hausgebrauch“, erklärt Dr. Andrea Gropp, stellvertretende Museumsleiterin des Stadtmuseums. Angefangen von Kitteln, Bettwäsche bis zu Tischdecken und Schürzen, bei denen ein weißes Muster auf blauem Grund entsteht. Seltener waren kunstvoll gestaltete Blaudruckwerke mit christlichen Motiven. Die größte Kostbarkeit des Blaudruckers sind seine Modeln (Druckstock, Schablone). Sie liefern die Muster. Damit werden die kunstvollen Strukturen auf den Stoff gebracht. Ein komplett aus Holz geschnitztes Blumen-Dekor und andere Muster können im Stadtmuseum besichtigt werden.  „Mit dem Papp (Schutzmasse), einer Mischung verschiedener Chemikalien, wird der Stoff bedruckt. Dort, wo die Schutzmasse auf dem Leinen oder Baumwollstoff klebt, kann die blaue Farbe nicht durchdringen“, erklärt Andrea Gropp. Das weiße Muster auf dem Textil entsteht.

 Ein Model mit Pflanzendekor.

Ein Model mit Pflanzendekor.

Foto: Harald Küst

Im Duisburg des 18. Jahrhunderts gab es ein auf den Export ausgerichtetes Textilgewerbe. In diesem Umfeld konnte auch das Spezialhandwerk der Blaufärber gedeihen. Die Duisburger Gewerbeliste von 1797 weist drei Meister und zwei Gesellen für das Blaufärberhandwerk auf. „Schlau wie ein Blaufärber“ heißt es in einer überlieferten Redewendung. Sie würdigt das Können der Blaufärber, die mit dem Färben und Drucken gleich zwei Handwerke ausübten. Einst erlernten die Färbergesellen Wissen und Fertigkeiten auf der Wanderschaft. Der Geselle ging auf die „Walz“. Rund 50 Kilometer um Duisburg herum reichte die sogenannte Bannmeile. Eine Rückkehr an den Heimatort verstieß gegen die Regel. Man soll lernen selbst klarzukommen, so lautet eine alte Walz-Regel. Das Verfahren zur Stoffveredelung war insbesondere in Westfalen, Thüringen, Brandenburg, Süddeutschland, Österreich, Ungarn, Tschechien und der Slowakei verbreitet.

Das zeigt die Auswertung von Wanderbüchern. Es gab Gesellen,  die bis zu zehn Jahren Auslandserfahrung an verschiedenen Orten sammelten. Der Westfale Heinrich Friedrichs vermerkt zum Abschluss seiner Walz in seinem Wanderbuch kurz und bündig: „ Städte gesehen“. Eine beeindruckende Leistung. Zur Erinnerung: Es gab Anfang des 19. Jahrhunderts keine Autos, keine Eisenbahn, kein Mobiltelefon mit Navi-App,  sondern nur ein mehr oder weniger schlecht ausgebautes Straßen- und Wegenetz. Kutschfahrten konnte sich ein Wandergeselle nicht leisten. Ohrhörer zum Musikgenuss brauchte man nicht. Stattdessen wurden auf dem Weg und in den Herbergen Wanderlieder gesungen.

Mehrere Jahre Wanderschaft zeugten von hoher Mobilität. Ein Blaufärbergeselle lernte in dieser Zeit nicht nur die meist gut gehüteten Geheimnisse der Pappzusammensetzung kennen. Er erweiterte seine Kompetenzen und leistete einen Kulturtransfer zum beidseitigen Nutzen. Mit neuen Ideen und Erfahrungen konnte dann eine berufliche Existenz als Blaufärber aufgebaut werden. Die Chance, als Meister sesshaft zu werden, war eng mit der erfolgreichen Brautschau verbunden. „Die Witwe oder Tochter eines Färbermeisters ist nie lange allein geblieben“, so Andrea Gropp. Die Industrialisierung mit ihren maschinellen Verfahren verdrängte das Blaudruckhandwerk nach einer Hochblüte im 19. Jahrhundert. 1879 gelang dem deutschen Chemiker Adolf von Baeyer die vollsynthetische Herstellung von Indigo. Diese Synthetik findet man heute in den Blue-Jeans. Die natürlichen Farbstoffe verloren ihre Bedeutung.

Seit einigen Jahren erlebt die Färbung von Textilien allerdings mit natürlichen Farbstoffen eine Renaissance. Das Kunsthandwerk nutzt diese Nische. In Europa gibt es noch 27 Blaudruckwerkstätten, immerhin zwölf davon in Deutschland. Da ist die Anerkennung als immaterielles Weltkulturerbe durch die UNESCO eine angemessene Würdigung einer über Jahrhunderte überlieferten Technik der Stoffveredelung.

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