Chinmayo im Künstlerportrait Ein Mann mit zwei Gesichtern

Duisburg · Der Meidericher Künstler Chinmayo wirkt seit 40 Kahren in seinem „Labor zur Erforschung kreativer Energien“. Der Dichter und Denker sieht sich als Mensch mit zwei Seiten. In einem anderen Leben ist er Verwaltungsbeamter.

 Ein Blick in Chinmayos „Schatzkammer“ unterm Dach, wo er eine bislang nirgends gezeigte Kunstsammlung sandbeschichteter Objekte aufbewahrt.

Ein Blick in Chinmayos „Schatzkammer“ unterm Dach, wo er eine bislang nirgends gezeigte Kunstsammlung sandbeschichteter Objekte aufbewahrt.

Foto: Olaf Reifegerste

Als Hermann Joseph Schmitz kam er am 16. Juni 1936 in Duisburg zur Welt. Später tauschte er seinen zweiten Vornamen Joseph gegen James aus. Unter dem Namen Hermann James Schmitz verfasste er dann epische und lyrische Texte, vor allem Kurzgeschichten und Gedichte. Als Swami Alok Chinmayo wurde er Mitglied der sogenannten Bhagwan-Bewegung. Swami ist ein hinduistischer religiöser Titel, der vereinfacht „Herr“ bedeutet und dem Namen vorangestellt wird. Dieser wiederum ist wörtlich mit „helles Bewusstsein“ zu übersetzen. Dem Sinn nach bedeutet der Name „Der nach Erkenntnis Suchende“. Hierzulande ist er schlicht und einfach als Chinmayo bekannt.

Chinmayo ist Dichter, Denker und Verleger, zudem Maler und Bildhauer, Kulturbotschafter und Kunstvermittler, Mediator und Interessenvertreter, aber eben auch Sannyasin und Osho-Freund. Zu seinem Haus in Duisburg-Meiderich gehört ein Garten, der an die Autobahn A 59 grenzt. Diesem ehemals elterlichen Anwesen, in dem er seit Jahrzehnten wohnt, lebt und arbeitet, hat er 1980 den Namen „Casa Asanga – Labor zur Erforschung kreativer Energien“ gegeben. In diesem Jahr feiert die Casa also ihr vierzigjähriges Bestehen.

Asanga sei ein Vertreter der Yogacara-Schule buddhistischer Philosophie gewesen, der im vierten Jahrhundert in Indien lebte, erläutert Chinmayo im Gespräch mit dieser Zeitung die Namensherkunft seiner Casa. Für ihn bedeute der Begriff so viel wie „ausgeprägtes Alleinsein, sich frei fühlen, bewegen und ungebunden leben können“. Dafür biete sein Haus auf mehreren Etagen und der angrenzende Garten ausreichend Platz, sagt er. „In der Casa findet sich all meine Kunst (Bilder, Objekte, Skulpturen, Installationen) und Literatur (Bücher, Hefte, Schriftstücke) wieder, sei es in Form von Sammlungen, Archiven oder der Haus-Bibliothek. Und: Von hier aus betreibe ich seit 40 Jahren die Asanga-Edition.“ Darin hat er zahlreiche Publikationen verfasst, darunter „Für die Gegenwart bestimmt. Gedichte“ (1975), „Kaspar Hauser 1984. Fragmente“ (1984) und „Maske und Feuer. Eine Textauswahl“ (1984).

 Das „Offene Haus“ im Garten: Chinmayo im Schattenriss von Klaus Großmann.

Das „Offene Haus“ im Garten: Chinmayo im Schattenriss von Klaus Großmann.

Foto: Olaf Reifegerste

Draußen im Garten stehen zig Skulpturen und Objekte, darunter eine Holzskulptur von Roger Löcherbach, die den Künstler Gregor Schneider in mahnender Pose darstellt. Das „Offene Haus“, wie Chinmayo den Ort in der Mitte seines Gartens nennt, habe er zusammen mit Norbert Ostländer vor etlichen Jahren gebaut. An der einen Seite finden sich Bildnisse von Klaus Großmann, ein Künstlerkollege aus Leipzig, den er während eines mehrjährigen Künstleraustausches zwischen der damaligen UdSSR und der Stadt Duisburg in den 1980er Jahren kennengelernt hatte, und Löcherbach, seinen Freund und Bildhauerkollegen aus Duisburg. Dazu ein Schattenriss von Freund Großmann. Mit beiden (Löcherbach und Großmann) und anderen veranstaltete Chinmayo 2002 das Symposion „A 59 von unten – Natur-Skulptur“ im Stadtpark Meiderich.

Als Künstler begann Chinmayo Mitte der 1960er Jahre, zunächst in der Bildenden Kunst (Malerei und Bildhauerei), ab 1970 dann in der Literatur (Kurztexte und Gedichte). Hauptberuflich arbeite er in jener Zeit als Schadensregulierer beim Rechtsamt der Stadt Duisburg. In den 1970er Jahren wechselte er zur neugegründeten Gesamthochschule Duisburg und übernahm dort das Sachgebiet für studentische Angelegenheiten. In den Anfangsjahren seines künstlerischen Schaffens war Chinmayo Mitglied im Duisburger Künstlerbund. Nach einem Atelierbesuch bei Wilhelm Wiacker (1914-1977) wurde er 1968 Mitglied der Duisburger Sezession, der er bis 1979 angehörte. Seit 1980 ist er wieder zurück im Künstlerbund.

Doch Chinmayo ist in Sachen Interessenvertretung für die Künste noch mehr: Er ist Mitbegründer der Interessengemeinschaft Duisburger Künstler, deren Sprecher er in der Zeit von 1975 bis 1979 war, ist Mitglied im Bundesverband Bildender Künstler, im Künstlerverein Malkasten in Düsseldorf, im Verband deutscher Schriftsteller bei ver.di sowie in der europäischen Autorenvereinigung „Die Kogge“.

Ganz dem Sternzeichen „Zwillinge“ verbunden, sieht sich Chinmayo als Mensch mit zwei Seiten: ob als Verwaltungsbeamter und zugleich Künstler oder als weltlicher Realist und gleichzeitiger Osho-Anhänger oder als Gehbehinderter, für den das „Thema Bewegung eine zentrale Bedeutung habe“, wie er sagt. Doch auch seine 1970/1971 entstandenen „Kopf- und Lesebilder“, wie er sie nennt, gehen in diese Richtung: Hier entstanden nämlich aus Versuchen, Malen und Schreiben im Bild zu verbinden, eben solche Bilder.

Auch Bilder, die er zweiseitig bearbeitet, gehören dazu, wie zum Beispiel das Werk vom „roten Baum“ (2015), dessen Rückseite den „Epitaph der Mauertoten“ zeigt. Exemplarisch in diese Reihe gehört das Bild „Magritte“, in dem der Schriftsteller Elias Canetti und der Maler René Magritte, die beide gleichermaßen von ihm geliebt und verehrt werden, in einem Bild porträtiert sind. Chinmayo: „Dieses Gemälde ist nicht zur Hängung für die Wand gedacht, sondern soll im Raum beidseitig sichtbar gezeigt werden.“

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