Dokumentarfilme für junge Leute Große Klappe für Hiroshima-Film
Duisburg · Parallel zur Duisburger Filmwoche fand im Filmforum die Jugendsektion des Dokumentarfilmfestivals, „Doxs!“, im Filmforum statt. Am Freitag wurden die Preise im Rahmen einer von Jugendlichen moderierten Matinee vergeben.
Die Frage der jugendlichen Moderatorin an den schätzungsweise 40 Jahre älteren belgischen Filmkenner Felix Vanginderhuysen zielte auf den Punkt: Sollen Dokumentarfilme für Jugendliche andere Themen behandeln als Filme, deren Zielgruppe das ältere Publikum sind? Vanginderhuysen, der auch Jury-Mitglied vom Europäischen Verband für Kinder- und Jugendfilm (ECFA) ist, fand eine kluge Antwort: Grundsätzlich können bei Dokumentarfilmen für die Jugend die gleichen Themen wie bei Erwachsenen behandelt werden. Sie müssten nur so gemacht werden, dass sich die Jugend angesprochen fühlt. Und da sei das schöne deutsche Wort „staunen“ wohl entscheidend.
Mit der Verleihung der Preise endete am Freitag im vollbesetzten Filmforum das „doxs!“-Festival, das seit Montag parallel zur Duisburger Filmwoche veranstaltet wird. In beiden Festivals geht es um den dokumentarischen Film. „Doxs!“ steht dabei für Dokumentarfilme, deren Zielgruppe junge Leute sind. Wer dabei an harmlose Kinderfilmchen denkt, liegt falsch. Alle Filme haben höchstes Niveau. Bei der Preisverleihung haben die Juroren die Qual der Wahl.
Zwei Preise galt es gestern zu vergeben. Der erwähnte „ECFA Documentary Award“ ging an den 16-minütigen Film „Apollo Javakheti“ des georgischen Regisseurs Bakar Cherkezishvili. Im Mittelpunkt steht dabei ein Junge, der in einem verlassenen Winkel in Georgien lebt, dort Schafe hütet oder Kühle melkt und ungeachtet dieser Situation und seines kleinen Buckels davon träumt, Astronaut zu werden. In seiner Fantasie steht seinem Traumziel nichts im Wege. In der Preisbegründung der ACFA-Jury heißt es: „Wir waren tief beeindruckt von der ehrlichen und authentischen Art und Weise, mit der der Filmemacher seine Hauptfigur zeichnet. Auf poetische und eindrucksvoll stringente Weise lässt er sich in seiner Form immer von seinem Protagonisten leiten.“
Der zweite Preis trägt den schönen Namen „Große Klappe“. Er wird von der Bundeszentrale für politische Bildung gestiftet und ist mit 5000 Euro dotiert. Zum Gewinnerfilm kürte eine Jury, die ausschließlich aus älteren Schülern bestand, den Film „Obon“ von André Hörmann und Anna „Samo“ Bergmann. Obon ist in Japan der Tag, an dem man an seine gestorbenen Familienmitglieder und Freunde denkt. In dem Film erinnert sich eine der letzten Überlebenden an den Atombombenabwurf auf Hiroshima. Der Schmerz ist noch lebendig, doch die 93-Jährige verbindet mit der Katastrophe auch eine positive Erfahrung: Ihr bis dahin unnahbarer und überstrenger Vater war danach ein anderer Mensch und schenkte seiner Tochter endlich die Aufmerksamkeit und Nähe, nach der sie sich gesehnt hatte.
Formal gehen Regisseur André Hörmann und die Animationskünstlerin Anna „Samo“ Bergmann in „Obon“ ungewöhnliche Wege. Sie verknüpfen die Erzählungen ihrer Protagonistin mit animierten Bildern und schaffen so eine dokumentarische Komposition, die eindrucksvoll ist, zugleich aber die Katastrophe des Atombombenabwurfs in einer Weise behandelt, die man als Zuschauer noch seelisch verkraften kann.
Die jungen Juroren aus Bochum, Moers und Duisburg beeindruckte besonders, wie ein bekanntes historisches Ereignis mit einer Familiengeschichte verwoben wird. In ihrer schönen Begründung heißt es: „Die Filmemacher verzichten auf einschlägige Archivbilder und machen stattdessen die Vergangenheit durch Animationen lebendig. Anders als viele konventionelle Produktionen vermittelt das ausgezeichnete Werk die Grausamkeit des Ereignisses emotional – mit einer manchmal verstörenden Wirkung auf die Zuschauer.“ Die Themen Atomwaffen und Krieg seien bis heute aktuell, heißt es weiter in der Jurybegründung. „Die animierte Bildebene und sein realistisches Sounddesign erzeugen eine emotional berührende Wirkung. Obwohl wir viele Filme zu diesem Thema kennen, hat uns seine Machart begeistert.“
Im Podiumsgespräch mit den Jugendlichen sprach der freundlich wirkende Filmemacher André Hörmann über die Hintergründe von „Obon“ und kündigte sein nächstes Filmprojekt an. Es geht dabei um ein Altersheim für Prostituierte in Mexiko.