Duisburg Diskussion zur Uni-Ausstellung geht weiter

Duisburg · Selten wurde über eine Ausstellung in der Uni-Bibliothek (UB) der Universität Duisburg-Essen (UDE) so kontrovers diskutiert (die RP berichtete). Seit dem 23. Mai waren im UB-Foyer auf dem Campus in Essen studentische Poster aus der Anglistik ausgestellt, in denen die Erzähltechniken und Inhalte von zwölf Graphic Novels erläutert wurden. Die Plakate spiegeln einen gemeinsamen Reflexionsprozess zu einer mittlerweile weit verbreiteten Gattung in der Gegenwartsliteratur wider. Zu sehen waren studentische Texte zur jeweiligen Erzähltechnik, ergänzt durch kritische Bildanalysen.

Einige Tage vor dem regulären Ausstellungsende erregten zwei der ausgestellten Poster, u.a. eine Collage mit verschiedenen Szenen aus Craig Thompsons Orient-Comic "Habibi", den Unmut bei einigen muslimischen Studierenden. Sie fühlten sich in ihren religiösen Empfindungen verletzt und beklagten dies vehement. Überlegungen seitens der Bibliotheksleitung, eine Diskussion zwischen den beteiligten Gruppen herzustellen, mussten zunächst zurückgestellt werden, weil sich die Ereignisse kurz darauf verselbstständigten: Am 17. Juni hing eine Studentin ein Plakat auf eigene Faust ab; am 24. Juni ein zweites, das sich mit einem Roman zur Situation im gegenwärtigen Israel befasst. Mit einer in der Nähe liegenden Schere schnitt sie Bildinhalte heraus und übergab den Torso der Bibliotheksleitung.

Daraufhin wurde die Ausstellungsdauer verkürzt – aus Protest gegen die erfolgte Zensur, das betonten sämtliche Professorinnen und Professoren des Instituts für Anglophone Studien in einer gemeinsamen Stellungnahme. "Eine teilzensierte Ausstellung hätte als Eingeständnis einer Schuld gewertet werden können, was auf jeden Fall vermieden werden sollte", so der geschäftsführende Institutsdirektor, Prof. Dr. Christoph Heyl. Außerdem galt es, die Studierenden zu schützen und einen normalen Bibliotheksbetrieb zu gewährleisten.

Damit ist der Vorfall für die Universität jedoch keineswegs abgeschlossen. Rektor Radtke: "An einer Universität darf es keine Denkverbote geben. Schließlich ist die Universität ein Ort der Toleranz und Wissenschaftsfreiheit. Es entspricht dem Wesen des wissenschaftlichen Diskurses, auch gegensätzliche Standpunkte auszuhalten. Dennoch lassen wir gerade durch Islamwissenschaftler prüfen, inwieweit die Plakate gegebenenfalls religiöse Gefühle verletzt haben könnten. Aber unabhängig davon rechtfertigt dies in keiner Weise das eigenmächtige Verhalten der Studentin. Dies werden wir ihr gegenüber auch deutlich zum Ausdruck bringen. Weitergehende juristische Schritte behalten wir uns vor."

Anglistikprofessor Frank-Erik Pointner: "Wir stellen uns gern der Debatte, die wir mit der Ausstellung ausgelöst haben. Wissenschaft ist schließlich Dialog." Bibliotheksdirektor Albert Bilo ergänzt: "Eine Bibliothek ist ein zensur- und kontrollfreier Raum zur vorurteilsfreien Information." Geplant ist, die Ereignisse der vergangenen Tage in einem gemeinsamen Diskurs objektiv aufzuarbeiten. Die aufgeworfene Grundfrage ("Hochschule und Meinungsfreiheit") soll demnächst in einem wissenschaftlichen Kolloquium kritisch diskutiert und eingeordnet werden.

(RP)
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