Duisburg Die Natur in symbolischen Formen

Duisburg · In unserer Serie über die Sammlung im Museum DKM stellen wir heute das Skulpturenensemble des koreanischen Künstlers Jai Young Park im Außenbereich des vom Schweizer Architekten Hans Rohr gestalteten Hauses vor.

 Die Skulpturen des Künstlers Park sind keine Hohlformen, sondern massive monolithische Körper aus Gips und Beton über Eisenarmierungen. Ihre eindrucksvolle Schlichtheit und asiatische Ästhetik erzeugt eine melancholische, geheimnisvolle und zugleich sinnliche Stimmung.

Die Skulpturen des Künstlers Park sind keine Hohlformen, sondern massive monolithische Körper aus Gips und Beton über Eisenarmierungen. Ihre eindrucksvolle Schlichtheit und asiatische Ästhetik erzeugt eine melancholische, geheimnisvolle und zugleich sinnliche Stimmung.

Foto: Hannappel

Besucher des Museums DKM sind nicht selten erstaunt über den Standort des Ausstellungshauses, das 2009 in einer umgebauten Gewerbeimmobilie — einem ehemaligen Elektrohandel — in der Güntherstraße 13-15 eröffnet wurde.

Mit viel Gespür hat der Schweizer Architekt Hans Rohr das in den 1960er Jahren errichtete Gebäude in ein Haus für die Kunst verwandelt, das nicht mit spektakulären Museumsbauten internationaler Stararchitekten konkurrieren, sondern in erster Linie einen harmonischen, zurückhaltenden Rahmen für die ausgestellten Artefakte bilden möchte. Im hinteren Bereich des Grundstücks wurde der einzige neu errichtete Gebäudeteil dem Altbau angefügt: eine eingeschossige Halle, deren Ausstellungsräume den Blick in asiatisch gestaltete Skulpturenhöfe freigeben.

In einem dieser Höfe bietet sich dem Betrachter ein grandioses Bild dar. Sechs übermannshohe weiße Formen, die an monumentale Schachfiguren erinnern, sind auf der schmalen, keilförmig zulaufenden Fläche zwischen Museumsgebäude und Grundstücksmauer platziert. Die gekurvten Figurinen streben teils schlank dem Himmel zu, teils ruhen sie bauchig schwer in sich. Ihre gewölbten Konturen verlaufen in sanften Schwingungen oder springen im Zickzack weit vor und zurück.

Es ist rasch klar, dass diese Figuren nicht jede für sich als einzelnes Werk zu betrachten, sondern vielmehr als ein wohl ausgewogenes Ensemble aufzufassen sind, das eine Vielzahl von Assoziationen auslöst. Je nach Gestalt und Proportion erinnern die großformatigen Skulpturen an Säulen, Baluster, Vasen oder Spielfiguren. Der Eindruck, riesenhafte Gefäße vor sich zu haben, wird dadurch unterstützt, dass bei ihrer Herstellung offenbar eine Drehscheibe eingesetzt wurde, wovon die regelmäßig verlaufenden Rillen auf den Oberflächen zeugen.

Tatsächlich handelt es sich aber nicht um Hohlformen, sondern um massive monolithische Körper aus Gips und Beton über Eisenarmierungen, geschaffen von dem koreanischen Künstler Jai Young Park. Bevor sie im Skulpturengarten des Museums DKM Aufstellung fanden, haben die monumentalen Figurinen — die größte ist über drei Meter hoch — eine weite Reise zurückgelegt. Park zeigte das Skulpturenensemble erstmals 1995 in seiner Heimat Südkorea. Anstatt sie in einer Galerie oder einem Museum auszustellen, ließ er die großen Formen in der freien Natur mitten in einem Reisfeld aufrichten.

Für seine künstlerische Arbeit wählte Park das Tal Pangyo, das etwa 15 Kilometer südlich von seiner Geburtsstadt Seoul liegt und bis vor rund einem Jahrzehnt zu einem agrarisch genutzten Landschaftsschutzgebiet gehörte. Ein traditionelles Reistal wie Pangyo bildet eine geschlossene kulturelle Einheit. Die Häuser der Menschen werden aus dem Holz der umliegenden Wälder und dem Lehm und Stroh der Reisfelder gebaut.

Es leben gerade so viele Menschen hier, wie das Land ernähren kann und wie die kollektive Arbeit des Reisanbaus erfordert. Die vom Menschen gestaltete Landschaft bettet sich harmonisch in die Natur und die geografischen Gegebenheiten ein. In einem solchen Reistal liegt, so Jai Young Park, der Ursprung aller asiatischen Kulturen. Die südkoreanische Landschaft und Gesellschaft haben sich in der jüngeren Vergangenheit jedoch radikal verändert. Der traditionelle Reisanbau rund um Seoul ist längst der sich ausbreitenden Peripherie der Mega-City gewichen.

Kurz vor dem Verschwinden der Reisfelder im Tal von Pangyo hat Jai Young Park mit seinen monumentalen Skulpturen ein Stillleben in der Natur geschaffen, in welchem die Essenz dieser Kulturlandschaft enthalten ist. Er nannte die Installation "Der Ort der Bilder". Parks Bestreben bestand nicht darin, einen bestimmten Landschaftsausschnitt wiederzugeben. Wie die traditionellen Landschaftsmaler Asiens hat auch er sich geistig in die Natur versenkt, um ihr Wesen zu erfassen und es gleichsam in symbolische Formen zu gießen, deren weich gerundete Profile die sanften Hügel des Umlandes und die geschwungenen Feldbegrenzungen widerspiegeln. Der Titel der Installation bezieht sich dabei weniger auf den Ort, an welchem die großen Gipskörper erstmals aufgestellt wurden, sondern vielmehr auf den Menschen. Der Mensch selbst ist "Der Ort der Bilder", da er die Bilder seiner kulturellen Erinnerung in sich trägt, die sich wiederum auf seine Wahrnehmung auswirken.

Parks anmutige Figurinen führen über das reine Landschaftsgleichnis hinaus. Sie erzeugen eine melancholische, geheimnisvolle, zugleich sinnliche Stimmung, die wie ein allgemeines Sinnbild die eindrucksvolle Schlichtheit und Schönheit asiatischer Ästhetik verkörpern, die ein Leitmotiv der Dauerausstellung im Museum DKM darstellt.

Die Autorin dieses Artikels, Dr. Heike Baare, ist kunstwissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums DKM.

(RP)
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