Autofreie Sonntage in Duisburg Die Autobahn als "verödetes Beton-Denkmal"

Duisburg · An vier aufeinanderfolgenden Sonntagen Ende 1973 mussten die Autos stehenbleiben – auch in Duisburg. Grund war die Ölkrise. Nach erster Irritation entdeckten die Menschen Alternativen für die Sonntagsgestaltung.

 Das Autobahnkreuz Kaiserberg ohne Autos? Unvorstellbar! Doch vor 40 Jahren herrschte auf diesem sehr stark befahrenen Straßenabschnitt tatsächlich gähnende Leere.

Das Autobahnkreuz Kaiserberg ohne Autos? Unvorstellbar! Doch vor 40 Jahren herrschte auf diesem sehr stark befahrenen Straßenabschnitt tatsächlich gähnende Leere.

Foto: dpa

An vier aufeinanderfolgenden Sonntagen Ende 1973 mussten die Autos stehenbleiben — auch in Duisburg. Grund war die Ölkrise. Nach erster Irritation entdeckten die Menschen Alternativen für die Sonntagsgestaltung.

Vor 40 Jahren herrschte auf den Duisburger Straßen gähnende Leere. Grund dafür: die autofreien Sonntage, eine Reaktion der Politik auf die anhaltende Ölkrise. An vier aufeinanderfolgenden Sonntagen im Jahr 1973 mussten die Duisburger — wie alle anderen Bundesbürger auch — ihr Auto stehenlassen.

"Bei Verstößen 400 Mark Geldbuße" warnte die Rheinische Post am 23. November 1973, zwei Tage vor dem ersten autofreien Tag. Unter dem Artikel wurde die Fahrverbots-Verordnung veröffentlicht, laut derer Kraftfahrzeuge, Wasserfahrzeuge und motorgetriebene Luftfahrzeuge am 25. November, 2., 9. und 16. Dezember von 3 Uhr bis 3 Uhr am folgenden Tag nicht benutzt werden durften. Da auch die Politiker nicht wussten, wie sich die Bürger an diesen Terminen verhalten werden, appellierte der damalige NRW-Innenminister Willi Weyer (FDP) an Fußgänger und Radfahrer: Auch ohne Pkw seien die Verkehrsregeln nicht abgeschafft, ließ er verlauten.

Der Verlauf des ersten Sonntages ohne Autos wurde in Duisburg mit Spannung erwartet. Am darauf folgenden Montag wurde in der Duisburger Stadtpost der RP die Szenerie beschrieben: "Gespenstische Leere kennzeichnete am ersten autolosen Sonntag das Bild der Straßen der Stadt. Die Autobahnen lagen verlassen da", heiß es in dem Bericht. Besonders ungewöhnlich muss der Anblick des leeren Kreuz Kaiserbergs gewesen sein, schon damals einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte. "Der Spaghetti-Knoten war ein verödetes Beton-Denkmal", so die RP seinerzeit.

Auch kuriose Geschichten gab es zu berichten. So nutzten drei Jungen die nie dagewesene Gelegenheit und waren mit ihren Rädern auf einer damals noch neuen Bundesstraße unterwegs. Nur knapp waren sie im Bereich Neumühl einer Polizeistreife entgangen, die damals die Beachtung des Fahrverbots überwachte. Nur wer eine Ausnahmegenehmigung vorzeigen konnte, hatte die Befugnis, sein Fahrzeug zu nutzen. Da diese äußerst gefragt waren, kam es in den Wochen vor der Aktion zu einem regelrechten "Telefon- und Papierkrieg", schrieben die Zeitungen damals.

In Duisburg verlief der erste autofreie Sonntag eher ungewöhnlich: Trotz Fahrverbots zog es viele Menschen nicht vor die Haustür. Parks und Wälder waren nur mäßig besucht, und auch der Duisburger Zoo konnte sich trotz ermäßigten Eintritts von zwei Mark nicht über großen Andrang freuen. Dies sollte sich jedoch in den folgenden Wochen ändern. Bereits am zweiten autofreien Sonntag nutzten die Bürger ein breit gefächertes Programm der Stadt Duisburg, das unter dem Motto "Der autolose Sonntag soll lustig werden" stand. Das wurde er auch, besonders für die Jüngsten. So spielten 3000 Kinder ab 10 Uhr in der Mercatorhalle, in der darauf folgenden Woche waren es sogar 4000. Trickfilme, Musik mit "Mister Knister", Puppenspiele, Zaubervorstellungen und eine große Eisenbahn schienen die jungen Besucher magisch anzuziehen. Verhaltener nahmen Jugendliche und Erwachsene die ihnen gemachten Angebote, beispielsweise Frühschoppen und Tanz in der Eissporthalle, Schach im Niederrheinischen Museum und geöffnete Gaststätten in der Innenstadt, wahr. "Die große Kaffeeschlacht blieb aus", titelte die Duisburger Stadtpost.

Zunehmend beliebter während der autofreien Zeit wurden Ausflüge in die Natur. So schlossen sich beispielsweise zahlreiche Duisburger einer Wanderung der CDU um die Sechs-Seen-Platte an — zünftiges Würstchengrillen und Musik einer Schützenkapelle inklusive. Außerdem luden der Speldorfer Wald und der Entenfang zu ausgedehnten Spaziergängen ein. Einige Kinder in Wedau entdeckten jedoch ein anderes "Ausflugsziel" und nutzten die leere Autobahn als Spielplatz. Der Spaß währte jedoch nicht lange, denn kurze Zeit später wurden sie "verscheucht", schrieb die RP.

Die leeren Straßen gaben Radlern und Fußgängern ein neues Freiheitsgefühl. "Sie benehmen sich, als gehöre ihnen die Welt", teilte die Polizei damals mit. Viele Menschen rückten von ihrem Wunsch nach schneller Fortbewegung ab, setzten auf nur eine Pferdestärke und ritten. "Sonntage ohne Autos scheinen den Bürgern gut zu bekommen", schrieb die Duisburger Stadtpost. Lang an hielt das alles nicht: Nach dem 16. Dezember war Schluss mit dem "neu entdeckten Lebensgefühl". Der Verkehr floss wieder wie gewohnt.

(RP)
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