Duisburg Der Fußboden ist das Kunstwerk

Duisburg · Die Frage "Ist das denn Kunst?" stellt man seit Joseph Beuys nicht mehr. Der pflanzte bekanntlich Bäume im Zeichen der Kunst. Die Studierenden der "Klasse Löbbert" an der Kunstakademie Münster gehen noch einen Schritt weiter als Beuys: Man sieht erstmals nichts Besonderes, wenn man den großen L-förmigen Ausstellungsraum des Kunstvereins Duisburg am Weidenweg 10 betritt. Nirgendwo ist ein Gemälde, eine Skulptur oder ein Projektionsgerät für mediale Kunst zu sehen.

 Die Studentengruppe der "Klasse Löbbert" von der Kunstakademie Münster auf ihrer "permanent begehbaren Gemeinschaftsarbeit".

Die Studentengruppe der "Klasse Löbbert" von der Kunstakademie Münster auf ihrer "permanent begehbaren Gemeinschaftsarbeit".

Foto: ralf hohl

Wir sehen nur einen leeren Raum, in den durch etwas staubige Fenster Tageslicht tritt. Herbert Gorba, Vorsitzender des Kunstvereins, strahlt in die fragenden Gesichter der Besucher. Er weist auf die Kunststudentgruppe, bedankt sich für deren enormen Einsatz. "Die haben hier Tolles geleistet, Hut ab", sagt Gorba. Und dann folgt endlich die Erklärung: Der Fußboden ist das Kunstwerk. Vor einigen Wochen haben sich zwölf Studenten der Kunstakademie Münster die Räume im Duisburger Kunstverein angesehen. Die Gruppe hatte sich von vornherein vorgenommen, ortsbezogen zu arbeiten. Und so reifte der Plan, den 127 Quadratmeter großen Raum im Kunstverein, in dem bislang 36 Ausstellungen gezeigt wurden, gewissermaßen auf Null zurückzustellen. Der Raum wurde komplett ausgeräumt. Und dann bearbeiteten die Studenten das unansehnliche Parkett. Es wurde abgeschliffen, verfugt und geölt. Das Fischgrätenmuster ist jetzt so schön wie nie zuvor.

Das Konzept und die gemeinsame Aktion machen das Ganze zur Kunst, meinte gestern eine Studentin. Und sie hat auch nichts dagegen, wenn Handwerkliches und Künstlerisches im Resultat nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind. Der Ausstellungsraum, in dem die Spuren des Arbeitsprozesses noch eine Zeitlang sichtbar bleiben sollen (daher der Staub, der sich aber ihn Grenzen hält), ist nun ein Erfahrungsraum für Besucher geworden. Als Hilfestellung für Besucher steuert eine Studentin ein Zitat des amerikanischen Bildhauers Carl Andre bei, einem prominenten Vertreter der minimalistischen Kunst: "Ich wünsche nicht Kunst zu machen, die Dich erdrückt oder Dir ins Auge schießt. Ich habe Arbeiten gerne, mit denen man in einem Raum ist, und die man jederzeit ignorieren kann." Die Klasse Löbbert an der Kunstakademie in Münster ist übrigens ein Unikat in der Uni-Landschaft: Sie wird vom Brüderpaar Maik und Dirk Löbbert im Rahmen einer gemeinsamen Professur geleitet. Der Raum wird am Samstag, 26. Mai, 15 Uhr, eröffnet. Er kann bis 23. Juni besichtigt werden (Öffnungszeiten freitags und samstags von 17.30 bis 20 Uhr, sonntags von 14 bis 18 Uhr). Weitere Informationen im Internet unter www.kunstverein-duisburg.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort