Duisburg Der Begriff Heimat hat viele Facetten

Duisburg · Beim Rathausgespräch diskutierte unter anderem der ehemalige WDR-Intendant und Kulturhauptstadt-Chef Fritz Pleitgen über das Akzente-Thema. Schüler des Steinbart-Gymnasiums sorgten für kritische Töne.

Kulturelles Stadtgespräch ist derzeit das Thema Heimat, verursacht durch die Akzente. Auch das erste Rathausgespräch in diesem Jahr, das erstmals unter alleiniger Federführung der Volkshochschule stattfand, beschäftigte sich damit. Und wie schon in den vergangenen zwei Jahren, solange gibt es die erfolgreiche Veranstaltungsreihe nämlich, war der Ratssaal erneut gut besucht.

"Wo bin ich zu Hause?" Diese Frage stellte Moderatorin Randi Crott vom WDR an den Anfang der Diskussion, weil diese zugleich auch das mittlerweile 9. Duisburger Rathausgespräch zum Titel hatte. "Was ist überhaupt Heimat?" Und: "Warum hat der Begriff Konjunktur?", schob sie nach.

Für den ehemaligen WDR-Intendanten Fritz Pleitgen, der 1938 in Duisburg-Meiderich geboren wurde, ist Heimat, wie er sagte, "überall da, wo ich mich wohlfühle." Und dazu gehöre selbstverständlich Duisburg, obwohl er schon drei Monate nach seiner Geburt die Stadt mit seinen Eltern und Geschwistern Richtung Essen verließ. Während für den Heimatvereinsvorsitzenden der "Düsseldorfer Jonges", Wolfgang Rolshoven, Heimat, der Ort sei, wo er zu Hause ist, habe die ebenfalls in Duisburg gebürtige WDR "Funkhaus Europa"-Moderatorin, Dr. Sümeyra Kaya, gleich mehrere Heimaten. "Hierzu zählen", verrät sie, "mein Geburtsort, insbesondere der Duisburger Norden, ebenso wie mein jetziger Wohnort Köln." Aber auch Istanbul gehöre dazu, weil sie dort Freunde und Verwandte habe. Für den EU-Abgeordneten der SPD in Brüssel, Jens Geier, hat Heimat auf jeden Fall etwas mit Sprache zu tun. Denn obwohl er seit 2009 sich durchschnittlich für etwa 200 Tage im Jahr in Brüssel aufhalte, sei nach wie vor Essen sein "wahrer Wohnort" und zugleich heimatlicher Lebensmittelpunkt, da er die belgische Landessprache nicht könne.

Neu bei den Rathausgesprächen ist die gezielte Ansprache von Jugend durch Zusammenarbeit mit Duisburger Schulen. So wurden auch Schüler des Steinbart-Gymnasiums in die Heimat-Diskussion einbezogen. Diese hatten unter Ihresgleichen der Jahrgangsstufen fünf bis zwölf eine Umfrage gemacht und diese nach positiven wie negativen Erscheinungen von Heimat befragt. So kamen als Antwort auch jene, dass Heimat nämlich ein Ort sei, wo man sich wegen seiner Herkunft schämen muss oder wo man ausgegrenzt werde. "Ausgrenzung", so beförderte Crott die Diskussion zum Ende der Veranstaltung auf eine neue Ebene, sei ein Thema sowohl der deutschen Vergangenheit als auch der europäischen Gegenwart. So habe die "Blut-und-Boden-Ideologie" der Nazis den Begriff Heimat arg in Verruf gebracht und auch der Tatbestand, dass derzeit rund 50 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht seien und ihre Heimat verloren hätten, sei äußerst abträglich für unsere heutige Zivilisationsgesellschaft. Pleitgen mahnte deshalb an, dass man den Begriff Heimat nicht ideologisieren solle. "Das Wichtigste in unserer heutigen Demokratie ist es", betonte er, "dass sie für eine Toleranz des Zusammenlebens eintritt." Und weiter regte er zum Nachdenken an: "Dass so viele Menschen zu uns kommen wollen, ist doch auch eine Auszeichnung für unser System. Bei den Amerikanern heißt es doch auch: 'I'm proud to be an American'. Wobei ich den Begriff 'stolz' ebenso problematisch empfinde, wie zuweilen Heimat."

Erst kurz vor Schluss kam das Publikum dann zu Wort. Von dort kam vor allem die Aufforderung, dass man Heimat bewahren solle.

(RP)
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