Duisburg Das Publikum bestimmt per Handy die Handlung mit

Duisburg · Normalerweise gehört es sich, dass Theater- und Konzertbesucher das Handy während der Vorstellung stumm schalten und in der Tasche verschwinden lassen. Nicht so am Wochenende in der Gebläsehalle des Landschaftsparks. Hier gab es während der Vorstellung von "Egmont interactive" quasi Handypflicht: Wer den Verlauf der improvisierten Szenen mitbestimmen wollte, benötigte sein Handy sowie die "Egmont-App" und spielte so mit dem Schicksal der Protagonisten. Doch die Hauptrollen hatten eigentlich nicht die Schauspieler, sondern die Musiker von "Klangkraft", einem Orchester, das bekannt ist für seine außergewöhnlichen und aufwendig inszenierten Konzerte.

 Über eine Handy-App konnten die Zuschauer bei "Egmont interactive" den Gang der Handlung beeinflussen.

Über eine Handy-App konnten die Zuschauer bei "Egmont interactive" den Gang der Handlung beeinflussen.

Foto: Alfons Winterseel

Dieses Mal holte "Klangkraft" sich das Ensemble des Duisburger Impro-Theaters "Schwanensees Rache" für zwei Aufführungen mit ins Boot. Wer hier allerdings Goethes "Egmont" als 2.0-Version erwartet hatte, wurde schnell eines Besseren belehrt: Die Namen der Protagonisten und der Handlungsstrang des Dramas um Freiheit und unerfüllte Liebe dienten zwar als Basis der einzelnen Szenen. Ansonsten improvisierten Franz Bleif, Madita Haustein, Marcus Matten und Ralph Schmidt-Kamps auf Zuruf aus dem Publikum und nach Vorgaben der Entscheidungen, die die Zuschauer über die Handy-App trafen und so jeder Aufführung einen anderen Verlauf geben konnten. Entscheiden konnten sich die Zuschauer zwischen drei Alternativen (selbst die Länge der gewünschten Pause wurde abgefragt). Während die Szene auf der Bühne eingefroren wurde, stimmte das Publikum beispielsweise über die Frage ab:"Was passiert als nächstes?" und wählte zwischen den Antworten Schlägerei, Sex oder Tränen. So spielte das Publikum Schicksal und ließ Klärchens ungeliebten Verehrer Braggenburg den Tod durch eine Nähmaschine sterben und machte aus Herzog Albas Sohn Ferdinand und Graf Egmont ein schwules Pärchen, das am Ende überlebt.

Tobias Müller dirigierte das Orchester durch eine Welt der musikalischen Herausforderungen. Die inhaltliche Klammer bildeten Ouvertüre und Siegessymphonie aus der Schauspielmusik zu "Egmont" von Ludwig van Beethoven. Dazwischen gab es passend zu den Plots der Bühnenhandlung Werke von Edward Elgar ("Salut d'amour"), Aaron Copland ("Gun Battle" aus "Billy the Kid") Richard Wagner ("Der Ritt der Walküren"), Hans Zimmer ("Mouvement 1&2" aus "The Rock Symphonic Suite"), Samuel Barber ( "Adagio for Strings") und Prokofieff ("Tanz der Ritter") sowie Beethovens "Melodram", ebenfalls aus der Schauspielmusik zu "Egmont".

Ein gelungener Konzertabend mit viel Beifall vom Publikum. "Unbedingt empfehlenswert, denn es war innovativ und originell", befand Besucherin Marianne Betz-Wolken.

(awi)
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