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Loveparade-Unglück Das geheime Einsatz-Tagebuch

Loveparade-Unglück · Neue Dokumente protokollieren den tragischen Ablauf des Loveparade-Unglückstages aus der Sicht städtischer Mitarbeiter. So veröffentlichte "Spiegel Online" am Donnerstag bislang unbekannte Passagen eines "Einsatztagebuchs" aus dem Zwischenbericht der Stadt über die Katastrophe.

Loveparade-Tragödie: Duisburger trauern
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Loveparade-Tragödie: Duisburger trauern

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Dieser von einem Rechtsanwaltbüro verfasste Zwischenbericht an den NRW-Landtag war samt 300-seitigem, als "nicht öffentlich" eingestuftem Anhang von Bloggern ins Internet gestellt worden. Ein Teil dieses Anhangs: das Einsatztagebuch des 24. Juli.

Als erster Eintrag um 7.23 Uhr ist dort zu lesen: "Stellplatz für den Truck am Neudorfer Markt ist durch Bierwagen belegt". Um 12.52 Uhr lautet der letzte Eintrag: "Planen werden jetzt von MA der Firma Lopa aufgehängt; Zaunbaufirma überfordert". Damit endet das bis dorthin unspektakuläre Tagebuch — auf Seite 19 von insgesamt 53.

"Spiegel Online" hat die wichtigsten Passagen der restlichen Seiten wie folgt zusammengefasst.

12.58 Uhr Der Duisburger Hauptbahnhof wird immer voller. Offenbar sollen Teile des Areals mit Zäunen abgesperrt werden. Doch die damit beauftragte Firma sieht sich dazu nicht in der Lage — es sei "kein Material mehr vorhanden".

13.04 Uhr Auch die Bahnhöfe Essen und Dortmund seien jetzt "voll ausgelastet".

13.59 Uhr Love-Parade-Besucher ziehen unkontrolliert durch das Duisburger Dell-Viertel, es seien bereits Beschwerdeanrufe von Anwohnern eingegangen.

14.10 Uhr Die Feuerwehr beschwert sich, dass einige Rettungsauffahrten nicht — wie eigentlich vereinbart — von Ordnern des Veranstalters besetzt sind.

14.14 Uhr Die Sanitätsstation an der Karl-Jarres-Straße, Ecke Düsseldorfer Straße, werde dicht von Ravern bedrängt.

14.19 Uhr Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland trifft im Hoist-Hochhaus ein, wo sich das Lagezentrum des Veranstalters befindet. Er ist der Auffassung, dass mobile Teams der Stadtreinigung sich verstärkt um die Beseitigung von Glasbruch kümmern sollten.

14.40 Uhr Meldung an die Leitstelle: "Der Westteil des HBF ist total überfüllt."

14.44 Uhr Am Hauptbahnhof ist eine wichtige Lautsprecheranlage ("Beschallungsstation 5") ausgefallen, über die die heranströmenden Besucher eigentlich informiert, gesteuert und geleitet werden sollten. "Elektriker sind beauftragt", heißt es im Einsatztagebuch, und "hoffen", das Problem "in nächster Zeit beheben zu können".

14.52 Uhr Die Lage verschärft sich. Zurzeit sei "kein Zulauf zum Veranstaltungsgelände möglich".

15.06 Uhr Hoher Besuch bei den Love-Parade-Organisatoren: Der "Innenminister besucht derzeit den Krisenstab".

15.11 Uhr Ein Posten des Ordnungsamts meldet zur Lage an der Karl-Jarres-Straße, Ecke Düsseldorfer Straße: "Menschenstaus, erhöhtes Aufkommen an Notarztwagen und Polizei im Einsatz."

15.27 Uhr Die "Beschallungsstation 5" am Hauptbahnhof ist noch immer ausgefallen. Seit 43 Minuten sucht man nach der Ursache dafür: Wahrscheinlich sei ein Kompressor defekt.

15.50 Uhr Mitteilung des Veranstalters Lopavent an die Ordnungsbehörde: "Nach wie vor große Probleme am Eingang Karl-Lehr-Tunnel; es wird überlegt, den Ausgang auch für Eingänger zu öffnen."

15.52 Uhr Menschen laufen auf die Bahnstrecke. Es werden partielle "Gleissperrungen" angeordnet.

16.04 Uhr "Gleisläufer" jetzt auch im Bereich Großenbaum. Das "Notfallkonzept 1" (Schienenersatzverkehr) tritt in Kraft.

16.14 Uhr Das Einsatztagebuch vermerkt "aktuelle Verletztenzahlen": 302 Personen seien bis jetzt in den Sanitätsstationen behandelt, "weitere 76 Transporte in Krankenhäuser". Hierbei handelt es sich aber noch nicht um Panikopfer, sondern offenbar um Personen mit Kreislaufproblemen, Alkoholisierte oder Menschen mit leichten Verletzungen.

16.29 Uhr Ein dramatischer Eintrag in behördlichem Stakkato: "Druck auf Veranstaltungsgelände wird zu groß, Zäune an A 59 wurden von ca. 1000 Menschen niedergerissen. Zugverkehr wurde komplett eingestellt, nur noch Busverkehr! Druck auf Veranstalter wg. erforderlicher Durchsagen soll erhöht werden."

16.31 Uhr "Aus dem Tunnel heraus wird das Gelände unkontrolliert gestürmt! Fußgänger auf der A 59!" Für die nächsten 52 Minuten finden sich nur wenige Einträge im Einsatztagebuch.

17.23 Uhr Auch an der Nordseite des Geländes, wo sich der VIP-Eingang befindet, hat sich die Lage offenbar verschärft. Im Einsatztagebuch heißt es: "VIP-Eingang wird überrollt, Mercatorkreisel überfüllt mit Menschen, (...) Menschenmassen steigen über Autos."

17.23 Uhr "Evakuierung der Fläche über A 59 läuft."

17.34 Uhr Die Ordnungsbehörde fürchtet um das Wohl ihrer in Duisburg eingesetzten Mitarbeiter: "Durchsage an Alle: Eigensicherung steht über Allem!"

17.34 Uhr "2 Tote durch FEL bestätigt." (FEL = Feuerwehreinsatzleitstelle)

17.36 Uhr "Polizei bestätigt nochmals 2 Tote."

17.52 Uhr "Bahnverkehr aus Düsseldorf wird eingestellt!"

18.33 Uhr "Handynetz zusammengebrochen."

19.45 Uhr "Keiner mehr aufs Gelände, nur noch runter." Es folgen zahlreiche Sitzungen des Krisenstabs. Währenddessen wird das Ausmaß der Katastrophe immer deutlicher. In Duisburg und Umgebung kümmern sich Feuerwehr, Ärzte und Rettungsdienste fieberhaft um Sterbende und Verletzte.

21.52 Uhr Meldung an die Ordnungsbehörde: "Klinikum Essen hat Krankenhausalarm ausgelöst." Es kann nun mehr Patienten aufnehmen als normalerweise möglich. Das Klinikum hat laut Protokoll entsprechende Kapazitäten für die Aufnahme.

22.56 Uhr Um die Besucherströme auf dem Weg zum und vom Veranstaltungsgelände zu beschäftigen, hat die Stadt in der Duisburger City mehrere Floats als "Entlastungsbühnen" aufgebaut. Diese werden nun offenbar von Love-Parade-Besuchern gestürmt. Im Einsatztagebuch heißt es hierzu: "Musik-Float auf dem Friedrich-Wilhelm-Platz wird aufgegeben. Nach massiver Bedrängnis und ohne (...) Unterstützung der Polizei muss der Float aufgegeben werden. Polizei hat keine Möglichkeit die Außendienstkräfte zu unterstützen."

23.08 Uhr "Ordnungskräfte wollen hinter dem Float die Lage beruhigen, bis die Polizei eintrifft. Ordnungskräfte können die Raver nicht zurückhalten am Neudorfer Markt."

23.10 Uhr An der "Bühne Neudorfer Markt wird noch auf Polizeiunterstützung gewartet".

Sonntag, 25. Juli 2010 00.01 Uhr "Informationen über Verstorbene und Verletzte des Unglücks im Polizeipräsidium Zimmer 134."

1.29 Uhr "13 Krisensitzung ist beendet. Der Krisenstab löst sich auf."

2.20 Uhr "Die Lage ist beendet."

(RP)
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