Rp-Serie Duisburger Geschichte Und Geschichten Das "blonde Gold Afrikas"
Duisburg · Der Ruhrorter Richard Hindorf (1863 - 1954) machte sich um den Sisal-Anbau in Deutsch-Ostafrika verdient. An den Agrarwissenschaftler erinnert ein Platz im Hafenstadtteil.
Straßennamen spiegeln Kolonialgeschichte wider - so auch der Richard-Hindorf-Platz in Duisburg Ruhrort. Der wurde nach dem Agrarwissenschaftler benannt, der sich um den Sisal-Anbau in der einstigen Kolonie Deutsch-Ostafrika verdient gemacht hatte. Wer war eigentlich Dr. Richard Hindorf?
Am 17. November 1863 wurde er als Sohn eines Gymnasialprofessors in Ruhrort geboren. Nach dem Abitur studierte er Agrarwissenschaften und wurde 1886 in Halle promoviert. Der "Ruhrorter Jong" wurde "Vater des blonden Goldes" genannt und genoss international hohes Ansehen. Hindorf hatte die Beziehungen zu seiner Vaterstadt Ruhrort stets aufrecht erhalten. So kam er auch als Pensionär extra von Berlin-Dahlem, wo er lebte, um mit der ganzen Bürgerschaft die große Alt-Ruhrorter Festwoche zu feiern. Seine spannenden Übersee-Geschichten im Festzelt auf der Mühlenweide fanden ein begeistertes Publikum.
Zeitreise: In den 1880er Jahren hatte das "Tropenfieber" deutsche Industriepioniere, Banker und Afrikaforscher erfasst. Nicht die Regierung, sondern private Unternehmer wie der Bremer Kaufmann Franz Lüderitz, der Hamburger Reeder Adolph Woermann oder auch der rücksichtslose "Kolonialheld" Carl Peters errichteten überseeische Handelsstützpunkte - oft durch dubiose Verträge mit den Einheimischen scheinbar legitimiert. Pioniere und Lobbyisten forderten von Reichskanzler Bismarck eine Kolonialpolitik, um deutsche Interessen in Afrika durchzusetzen. Bismarck hielt eisern dagegen: "Ich will keine Kolonien". Konflikte mit Großbritannien und Frankreich wollte er vermeiden.
Was ihn 1884 dann doch umstimmte, ist bis heute umstritten. Taktische Gründe für die anstehende Reichstagswahl oder die Macht der Lobbyisten sind Vermutungen - genau man weiß es nicht. Wie auch immer: 1885 wurden kaiserliche "Schutzbriefe" für die von Unternehmern im Besitz genommenen Landstriche in Deutsch-Ostafrika ausgestellt. Es war der Beginn der deutschen Kolonialpolitik. Militär und Verwaltung stellte jetzt das Reich. Der Sozialdemokrat August Bebel verurteilte die Kolonialpolitik 1889 als Ausbeutung einer fremden Bevölkerung. Kolonialvereine malten dagegen ein positives Bild, das bei der bürgerlichen Gesellschaft auf große Zustimmung stieß.
Zu dieser Zeit verfiel auch der junge Naturwissenschaftler Hindorf dem Rausch der Kolonialbegeisterung. Als wissenschaftlicher Assistent sammelte er Erfahrungen in Ceylon (Sri Lanka), Sumatra, Java, Neu-Guinea, Australien, Ägypten und insbesondere Ost-Afrika. Ganz nebenbei verfasste er das erste deutsch-malaiische Übersetzungshandbuch. Sein Forschungsinteresse konzentrierte sich auf die Wachstums- und Absatzbedingungen von Nutzpflanzen und Gewürzen. Bald darauf folgte seine historische Glanztat. Trotz Ausfuhrverbot der Sisal-Agaven, die nur in Mexiko heimisch waren, gelang es ihm über einen Zwischenhändler in Florida, die Sisal-Pflanze über Hamburg nach Deutsch-Ostafrika zu transportieren. "Von 1000 Pflanzen gingen nur 62 an, aber daraus entstand die Sisal-Industrie Ostafrikas", berichtete Richard Hindorf. Die Sisalproduktion nahm einen steilen Aufstieg, das "blonde Gold" Afrikas entwickelte sich zu einem Exportschlager. Richard Hindorf wurde zur internationalen Berühmtheit. Er heiratete 1899 Else Tillmann (1876-1949), die ihm zwei Töchter gebar. Beruflich ging es weiter aufwärts. Er wurde Direktor der Rheinischen Handel-Plantagen-Gesellschaft, die baute Kaffee und Kautschuk in Deutsch-Ostafrika an. Zudem war er Mitbegründer der weltberühmt gewordenen Tropenkultur-Versuchsstation Amani im Naturparadies Usambara (Tansania) und der deutschen Kolonialschule in Witzenhausen (1898). Nach dem Ersten Weltkrieg wurden dem Deutschen Reich im Frieden von Versailles sämtliche Kolonien aberkannt. Deutschlands Traum von der Kolonialmacht fand ein jähes Ende.
Hindorf kam in ein englisches Internierungslager. Doch ab 1925 setzte er sich für den Wiederaufbau der deutschen Pflanzungsgesellschaften im Mandatsgebiet (heute Tansania) ein und hatte Erfolg als Fachbuchautor. Hochbetagt starb er im Jahr 1954 im Alter von 90 Jahren. Ein Jahr später erhielt der namenlose Platz vor den Ruhrorter Rheinbrückentürmen seinen Namen.