Interview mit Bestatter Johannes Heggen "Das Bestattungswesen hat sich verändert"

Mit einer Geschichte von 156 Jahren ist das Bestattungsunternehmen Heggen in Ruhrort das älteste Bestattungsinstitut Duisburgs. Johannes Heggen leitet das Familienunternehmen bereits in fünfter Generation. Mit der RP spricht er über den Wandel der Bestattungskultur und Kuriositäten.

 Johannes Heggen führt heute Duisburgs ältestes Bestattungsinstitut, das er von seinem Vater übernommen hat.

Johannes Heggen führt heute Duisburgs ältestes Bestattungsinstitut, das er von seinem Vater übernommen hat.

Foto: Peggy Mendel

Herr Heggen, Sie sind quasi von Geburt an mit dem Bestattungsgeschäft verwurzelt und damit entsprechend lange im Geschäft.

Heggen Das ist wahr. Ich bin von klein an in das Geschäft hineingewachsen und habe schon als Kind viel mitbekommen und mich früh für das Geschäft meines Vaters interessiert. Trotzdem habe ich mich zunächst für eine Ausbildung zum Speditionskaufmann entschieden, weil ich auch in einen anderen Beruf hineinschnuppern wollte. Nach kurzer Zeit wurde mir dann aber klar, dass ich zum Bestattungswesen zurückkehren will. Inzwischen übe ich den Beruf seit über 30 Jahren aus.

Wie hat sich das Geschäft über die Zeit verändert?

Heggen Speziell in den letzten zehn bis 15 Jahren hat sich das Bestattungswesen enorm geändert. Vor 30 Jahren waren 80 Prozent der Bestattungen Erdbestattungen, der Rest See- und Feuerbestattungen. Dieses Verhältnis hat sich heute auf den Kopf gestellt. Ich schätze, 75 Prozent der Bestattungen sind inzwischen Feuerbestattungen.

Wie ist dieser Wandel zu erklären?

Heggen Bei der Feuerbestattung müssen die Angehörigen weniger Zeit in die Grabpflege investieren, weil Urnen weniger Platz beanspruchen. Die Zeit ist heute so schnelllebig, dass den Angehörigen oft die Gelegenheit fehlt, eine Grabstätte zu besuchen und zu pflegen. Deswegen vermitteln wir neuerdings vermehrt sogenannte "pflegefreie Gräber", deren Oberfläche durch eine Steinplatte versiegelt ist. Weitere Alternativen bieten beispielsweise Urnenbeisetzungen in Baumwahlgrabstätten oder Kolumbarien.

Spielt auch das Geld eine Rolle?

Heggen Ja, die Feuerbestattung ist preiswerter. Ich stelle fest, dass einige Angehörige heutzutage weniger Geld zur Verfügung haben und dadurch auch bei der Bestattung sparen müssen. Als ich das Geschäft von meinem Vater übernahm, war es alltäglich, dass bei einer Feuerbestattung zwei Trauerfeiern stattfanden. Heute nehmen die Menschen oft nur noch einmal Abschied.

Was hat sich außerdem verändert?

Heggen Von der anonymen Bestattung, die vor einigen Jahren ein absoluter Trend war, sind viele inzwischen abgekehrt. Bei diesem Bestattungsverfahren werden Särge und Urnen auf Friedhöfen beigesetzt, ohne dass die Angehörigen wissen wo.

Warum haben die Menschen von dieser Idee Abstand genommen?

Heggen Die meisten haben erkannt, dass sie, um ihre Trauer zu bewältigen, eine Anlaufstelle brauchen. Das Grab ist für die Trauerarbeit von enormer Bedeutung.
Stichwort Trauerarbeit: Welche menschlichen Qualitäten sind als Bestatter gefordert?
Heggen Es ist enorm wichtig, den Betroffenen einfach zuzuhören. Außerdem ist es wichtig, den Trauernden so viel wie möglich abzunehmen und ihnen mit individuellen Vorschlägen und Ideen jederzeit zur Seite zu stehen.

Und welche organisatorischen Arbeiten kommen auf Sie nach einem Trauerfall zu?

Heggen Der Arbeitsumfang, den ein Bestatter bei einem Sterbefall zu erledigen hat, hat über die Jahre deutlich zugenommen. Neben der Abmeldung beim Standesamt kümmern wir uns um die Beantragung von Sterbegeldern sowie um Termine für Beisetzung und Trauerfeier. Früher haben diese Aufgaben oft Angehörige oder sogar Nachbarn übernommen, heute erledigt das der Bestatter. Wir kümmern uns selbst um kleinste Details, wie die musikalische Begleitung auf der Trauerfeier, den Blumenschmuck oder Traueranzeigen in der Zeitung.

Sie bieten auch ein sogenanntes "Vorsorgepaket" an. Was hat es damit auf sich?

Heggen Mit der Bestattungsvorsorge haben Menschen die Möglichkeit, vor ihrem Tod die Details ihrer Bestattung selbst festzulegen. Auch die fälligen Kosten für die Bestattung werden vorab beglichen. Grade ältere Menschen wollen ihre Beerdigung exakt regeln und haben durch die Vorsorge die Möglichkeit dazu. Oft steckt dahinter der Gedanke, den Hinterbliebenen nach dem eigenen Tod nicht unnötig zur Last fallen zu wollen.

Haben Sie über die Jahre auch Kuriositäten erlebt?

Heggen Kuriositäten sind eher die Ausnahme, eine Sache wird mir allerdings für immer gut im Gedächtnis bleiben. Vor 15 Jahren — damals war mein Vater noch im Betrieb — kam es bei einer Beerdigung zu einem Streit zwischen den Angehörigen. Dabei ging es um die Erbschaft. Noch während der Sarg zu Boden gelassen wurde, brach am Grab eine Prügelei aus. Uns blieb nichts anderes übrig, als die Polizei zu rufen. Das waren dramatische Szenen.

Sebastian Fuhrmann führte das Interview

(ac)
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