Vorläufer des Coronavirus So ging die Stadt Duisburg mit Seuchen wie Pest und Cholera um

Duisburg · Das Coronavirus hatte in Duisburg schreckliche Vorläufer. So ging die Stadt mit Pest, Tuberkulose und Cholera um.

 Die Pestverordnung von 1613 aus dem Duisburger Koerbuch.

Die Pestverordnung von 1613 aus dem Duisburger Koerbuch.

Foto: Stadtarchiv Duisburg

Pestepidemien, die Duisburg im 16. und 17. Jahrhundert heimsuchten, veränderten das Zusammenleben der Stadtgesellschaft. Angst machte sich breit. Der Rat der Stadt musste handeln. Gesundheitspass und Quarantäne stammen aus dieser Zeit.

Quarantäneverordnungen  Um Infektionen durch Menschenansammlungen zu vermeiden, wurde ein Kirmesverbot erlassen. Die Wareneinfuhr wurde eingeschränkt und überwacht. Der Stadtrat ordnete im Jahr 1665 weiterhin an, dass an den Stadttoren Einreisende streng zu kontrollieren  und die Infektionsfreiheit durch einen Gesundheitspass nachzuweisen sei. Die Isolierungszeit wurde auf acht Tage festgelegt. Auch Duisburger Bürger, die sich an pestverseuchten Orten aufgehalten hatten, wurde die Rückkehr nach Duisburg nicht gestattet. Zuwiderhandeln wurde mit einer Geldbuße geahndet. Türen und Fenster verseuchter Häuser mussten sechs Wochen verschlossen bleiben. Ein ausgehängter Strohkranz an der Tür warnte. Die Stadt stellte Pestfrauen ein, die pflegebedürftige Kranke daheim mit Essen und Heizmaterial versorgten.

Totenordnung Die Totenordnung sollte Auswüchse bei den durch die Pest zunehmenden Totenfeiern verhindern, die häufig in üblen Trinkgelagen ausarteten. Die Feiern wurden mit dem sogenannten Totengeld finanziert, eine Gegenleistung der Hinterbliebenen an die Nachbarn  für das Ausheben der Totengrube. Die Stadt reagierte und verbot im Jahr 1598 das exzessive Feiern nach Begräbnissen. Die Gräber sollten nicht mehr wie bisher üblich von den Nachbarn, sondern von fest angestellten Totengräbern ausgehoben werden. Dennoch kam es in der Folgezeit immer wieder zu Klagen wegen aus dem Ruder laufenden Nachfeiern. Die Totengelder verdoppelten sich. Das Ansteckungsrisiko hatte seinen Preis, das einige Feierwütige in Kauf nahmen. Moralische Bedenken wurden in Seuchenzeiten gerne beiseite geschoben. Neben Trinkgelagen war zum Beispiel bei Pestepidemien häufig eine auffallende Heiratslust festzustellen. Erbschaften machten auch betagte Witwen und Witwer begehrenswert, schreibt Kurt Hofius in den Duisburger Forschungen. In Zeiten der Seuchen stieg auch die Zahl der Waisenkinder erheblich an. So geht das ehemalige Waisenhaus auf der Niederstraße auf das schlimme Pestjahr 1588 zurück.

Medizinische Behandlung Da es in Duisburg im 16. Jahrhundert keine ständig ansässigen Ärzte gab, entschloss sich der Stadtrat, Wundärzte und Barbiere befristet zur Behandlung der Armen anzustellen. Der 1588 eingestellte „hochgelehrte Pybo von Abbem“ erwies sich allerdings als Quacksalber und Betrüger. Zwischen 1564 und 1666 wurde Duisburg mehrfach von Pestepidemien heimgesucht. Im 17. Jahrhundert wiesen ansässige Ärzte mit Pestschriften und Plakaten wurde auf vorbeugende Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung hin. Miasmen (üble Dünste) hielt man für krankheitsauslösend. Doch die empfohlenen Heilmittel wie aromatisches Wasser, Wacholder, Wein und Tabak hatten keinerlei pest- bzw. seuchenschützende Wirkung. Wohlhabende Bürger hofften durch das venezianische Wundermittel Theriak zu genesen. Bakterien und der Zusammenhang mit mangelnder Hygiene waren den akademisch gebildeten Medizinern unbekannt. Erst 1894 wurde dem unsichtbaren Feind ein Gesicht gegeben: Das Pestbakterium Yersinia pestis, das über Ratten- und Menschenflöhe übertragen werden konnte.

Pest und Lepra verschwanden in Duisburg in der zweiten Hälfte  des 17. Jahrhunderts, aber Tuberkulose und Cholera suchten die Industriestadt im 19. Jahrhundert heim und forderten unzählige Opfer. Als im letzten Jahrhundert Antibiotika entwickelt wurden, glaubte man, die bakteriellen Infektionskrankheiten endlich besiegt zu haben. Trotz aller Erfolge: Viele Seuchen sind nach wie vor gefährlich. Ein unerwartetes Ereignis – wie aktuell das Auftauchen des Coronavirus – reicht wie wir sehen aus, damit Wissenschaft und Verwaltung den Wettlauf gegen Bakterien und Viren wieder aufnehmen muss.

Quelle: Duisburger Forschungen, Band 15 und Band 45, Kurt Hofius

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