Rp-Serie: Duisburger Geschichte Und Geschichten Christus-Figur mit Scharnieren

Duisburg · Es sollten Rosen regnen, wenn Christus in den Himmel auffuhr. Eine Ausstellung im Kultur- und Stadthistorischen Museum präsentiert noch bis zum 8. Januar den so genannten Himmelfahrtschristus, ein "handelndes Bildwerk".

 Der Himmelfahrtschristus mit geschlossenen Scharnieren.

Der Himmelfahrtschristus mit geschlossenen Scharnieren.

Foto: museum kleve

"Die Figur gehört zu meinen Lieblingsobjekten", schwärmt Katharina Selent, die Besuchergruppen durch die Ausstellung im Kultur-und Stadthistorischen Museum führt. Die originale Farbgebung, das fein gezeichnete Gesicht, der Blick, die dunklen Haare und die gesamte Ausstrahlung beeindrucken den Besucher bis heute. Und da die Figur bei näherem Hinsehen auf der Rückseite Scharniere aufweist, ist die Neugier bei den Besuchern zusätzlich geweckt.

Die Skulptur verfügt über eine Hochzieheinrichtung und einen Hohlraum mit Fächern, die aufgeklappt werden können. Was bedeutet das? Katharina Selent lüftet das Geheimnis des Hohlraums und erzählt eine schöne Geschichte: "Es sollte Rosen regnen, wenn Christus in den Himmel auffuhr". Sanft schwebend fielen die Blüten wie Flocken langsam zur Erde und verzauberten die Kirchenbesucher mit einem sinnlichen und emotionalen Erleben. Die Rose wurde als Zeichen der Liebe verstanden. Die katholische Kirche verstand es, die Gefühle der Menschen anzusprechen.

Damals wie heute braucht der Mensch eine gute Inszenierung: Die aufsteigende, farbige Skulptur, Weihrauch, Kerzen, Orgelchoräle, der Duft der herabregnenden Rosen - und alle fünf Sinne sind gefangen. Hinter der Inszenierung verbarg sich eine besondere Technik. Die Himmelfahrts-Skulptur ist deutlich größer und dennoch leichter als die meisten anderen Heiligen aus Holz. Denn die Christus-Figur, die mit segnender Geste - wahrscheinlich auf einem Wolkengebilde stehend - auffuhr, musste in ihrem Korpus ja die Rosen bergen und dennoch so leicht sein, dass man sie problemlos emporziehen konnte. Außerdem gab es einen komplizierten Mechanismus, der die Klappen öffnete, damit die Rosenblüten fallen konnten. Oben angekommen verschwand der emporfahrende Christus in entsprechende Löcher in den Gewölben der Xantener Stiftskirche.

Für diese Inszenierung benötigte die Kirche die "handelnden Bildwerke". Am Niederrhein blieb nur eine dieser mittelalterlichen Himmelfahrtschristus-Figuren erhalten. Die wurde von Meister Arnt von Kalkar und Zwolle 1476 geschnitten und steht zurzeit - leihweise und hoch versichert - im Duisburger Kultur- und Stadthistorischen Museum. Eine Kostbarkeit der Bildhauerkunst.

Der Himmelfahrtschristus von Meister Arnt ragt neben den rund 100 Objekten der Ausstellung tatsächlich ein deutliches Stück heraus. Da er nach der Ausstellung wieder ins Klever Museum zurückkehren wird, sollten die Duisburger die Chance nutzen, die wertvolle Leihgabe zu bewundern. Aber am besten mit einer Führung: Erst mit den Hintergrundgeschichten gelingt es, in die Welt des Spätmittelalters einzutauchen. Denn der Himmelfahrtchristus erzählt dem Besucher auch etwas über die Kunst der Inszenierung und das Erleben der Menschen vor mehr als 500 Jahren. Das farben- und bilderfrohe Kirchenspiel wurde jedes Jahr aufgeführt. Ein beliebtes Ritual - bis zur Reformation. Dann verlieren sich die Spuren. "Gut, dass die Museen diese Kunstschätze wieder der Öffentlichkeit zugänglich machen", meint eine Besucherin.

Info: Im Mercator-Verlag ist ein Begleitbuch zur Ausstellung erschienen (112 Seiten, viele Abbildungen, 14,90 Euro). Ausstellung bis 8. Januar 2017.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort