Duisburg Brückner liest Whitman

Duisburg · Mit Walt Whitman (1819 bis 1892 beginnt die moderne Literatur der Vereinigten Staaten, die noch gar nicht so vereinigt waren, als Whitman das hohe Lied der "athletischen amerikanischen Demokratie" anstimmte. "Vom Suchen und Finden der Welt" ist der Untertitel des Literaturprogramms der diesjährigen Akzente. Walt Whitman passt da gut hinein, denn auch sein Werk muss in Deutschland noch erschlossen werden. Mit Christian Brückner, dem wohl bedeutendsten und bekanntesten deutschen Rezitator, konnte Bibliotheksdirektor Dr. Jan-Pieter Barbian in der gut besuchten Zentralbibliothek einen bewährten Fährtensucher für schwer zugängliches Literaturgelände begrüßen.

Walt Whitmans Lebenswerk, das seit 2009 unter dem Titel "Grasblätter" in einer neuen deutschen Übersetzung vorliegt, ist vor allem eines: ungewohnt. Diese Mischung aus leicht gebundener Sprache, die man – in der deutschen Übertragung – kaum als rhythmisierten Blankvers erkennt, der nahezu biblische Erzählduktus, die sinnliche Feier des männlichen und erst dann des weiblichen Körpers, die kreatürliche Schilderung der Sexualität, die mit einem eigentümlichen Keuschheitsideal verbunden wird, und dann natürlich die unbedingte Forderung nach Freiheit, die auch für Sklaven gilt, weil sie – wie alle Menschen – der "Heiligkeit des Leibes" teilhaftig sind: all das sind literarische Töne und Gedanken, die in dieser Form einzigartig sind.

Für Christian Brückner war seine Duisburger Whitman-Rezitation eine Premiere. Man kann sich vorstellen, wie schwer es ist, den richtigen Tonfall für einen solchen Leseabend zu finden, da die Gefahr besteht, Whitmans Sprache in Pathos zu ertränken, sie nicht überspannt klingen zu lassen und doch ihre Effekte zu bewahren. Brückner, der vielleicht die ein oder andere Kunstpause abkürzen sollte, ist da auf einem guten Weg.

(RP)
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