Bei fehlender Mehrheit für EU-Abkommen IHK warnt vor Brexit-Folgen

Duisburg · Duisburger Unternehmen dürften der Debatte um das Abkommen zum Austritt Großbritanniens aus der EU mit großen Sorgen entgegenblicken. Auch ihnen droht wirtschaftlicher Schaden.

 Duisburgs Stahlindustrie könnte unter den Folgen eines „kalten Brexit“ leiden.

Duisburgs Stahlindustrie könnte unter den Folgen eines „kalten Brexit“ leiden.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Am vergangenen Sonntag gab es grünes Licht aus Brüssel: Die Mitgliedsstaaten und Regierungschefs der Europäischen Union haben dem Abkommen zum Austritt von Großbritannien aus dem Staatenverbund zugestimmt. Auf 585 Seiten werden der Austritt des Vereinigten Königreichs bis ins kleinste Detail geregelt und die Folgen so klein wie möglich gehalten. Der Plan sieht vor, dass Großbritannien die EU am 29. März 2019 offiziell verlässt. Zuvor muss aber noch das britische Parlament seine Zustimmung geben. Lehnen die Volksvertreter das Abkommen ab, kann das auch für die Duisburger Wirtschaft große Konsequenzen haben.

Es sei derzeit nicht ausgeschlossen, dass das Abkommen im britischen Unterhaus nicht die notwendige Mehrheit bekomme, warnt Michael Rüscher von der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer (IHK) auf Anfrage unserer Redaktion. „Wenn das Abkommen nicht unterzeichnet wird, sprechen wir von einem kalten Brexit“, sagt Rüscher. „Dann wird Großbritannien als ein ganz normaler Drittstaat wie zum Beispiel Aserbaidschan behandelt – mit all den negativen Konsequenzen für die Wirtschaft.“

Auch Duisburger Firmen, die ihre Produkte nach Großbritannien exportieren, seien von den Konsequenzen betroffen und müssten mit einem höheren bürokratischen Aufwand und steigenden Kosten rechnen. Denn hier ansässige Firmen mit Handelsbeziehungen nach Großbritannien müssten nach einem Brexit ohne Handelsabkommen für jedes Produkt, das sie ins Vereinigte Königreich exportieren wollen, Anmeldungen am Zoll abgeben. „Nach aktuellen Hochrechnungen würde es deutschlandweit pro Jahr über 14 Millionen zusätzliche Zollanmeldungen geben“, berichtet Rüscher. „Und es fallen kosten von knapp 200 Millionen Euro an.“

Möglich sei darüber hinaus, dass bestimmte Produkte nach dem Brexit nicht mehr in Großbritannien verkauft werden dürften, sagt Rüscher. „Produkte, die in der Europäischen Union produziert werden, könnten ohne Handelsabkommen nicht einfach auf dem britischen Markt angeboten werden“, erklärt der Leiter für Unternehmensservice und Internationales bei der IHK Niederrhein. „Denn dort gelten dann unter Umständen andere Spielregeln für Produktzulassungen.“ Die Folge: Einige Güter und Erzeugnisse könnten ihre Zulassung im Vereinigten Königreich verlieren.

Welche Duisburger Unternehmen Angst vor diesem „worst case“ haben müssen, ist offen. „Es ist schwierig, aufzuzeigen, welche Unternehmen aus der Stadt Handelsbeziehungen nach Großbritannien pflegen“, sagt Rüscher. Es gebe dazu keine statistischen Erhebungen. Es sei zudem unmöglich festzustellen, welche Firmen nach Großbritannien exportieren, weil dafür bislang keine Dokumente benötigt wurden, da Großbritannien noch zur EU gehört.

Bekannt ist hingegen, dass die Firma Krohne, die in ihren Werkshallen in Duisburg unter anderem etwa 100.000 Messverstärker pro Jahr produziert, einen vergleichsweise hohen Absatz in Großbritannien verbucht. Denn jedes siebte Gerät, das die Roboter in Duisburg zusammenlöten, geht nach England.

Einzig auf NRW-Ebene gibt es Zahlen über den Handel mit britischen Unternehmen. Bezogen auf den Export ist Großbritannien der drittwichtigste Handelspartner. Besonders profitieren die Autoindustrie, die chemische Industrie, die Pharmaindustrie und der Maschinenbau. „Man könnte daraus schlussfolgern, dass Unternehmen aus der Stahl- oder der Chemieindustrie, die in Duisburg ansässig sind, die negativen Konsequenzen eines kalten Brexit zu spüren bekommen“, so Rüscher.

Nur das Zustandekommen des Abkommens zwischen der EU und Großbritannien kann den kalten Brexit und die negativen Folgen für die Wirtschaft – zumindest vorerst – verhindern.

(jlu)
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