Missbrauch Scham und Zorn im Bistum Essen

Duisburg · Parallel zur Diskussion auf der Bischofsvollversammlung in Fulda hat Generalvikar Klaus Pfeffer die MHG-Studie mit Blick auf das Ruhrbistum vorgestellt.

 Generalvikar Klaus Pfeffer ist „unendlich traurig“.

Generalvikar Klaus Pfeffer ist „unendlich traurig“.

Foto: Bistum Essen/Nicole Cronauge

„Ich schäme mich für meine Kirche und bin unendlich traurig.“ Mit diesen Worten hat sich Generalvikar Klaus Pfeffer zu den Ergebnissen der katholischen Missbrauchsstudie („MHG-Studie“) geäußert. Die Studie sei ein Dokument „für das dramatische Leid, das unsere Kirche als Organisation – vor allem durch Geistliche – den Opfern sexuellen Missbrauchs angetan hat“. Die Ergebnisse der bei der Bischofsvollversammlung in Fulda diskutierten Studie seien „erschütternd, weil sie das ungeheure Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in unserer Kirche seit 1945 offen legen“, sagte Pfeffer vor Journalisten. Auch wenn in den vergangenen Jahren bereits viele Missbrauchsfälle bekannt geworden seien, so eröffne die umfassende MHG-Studie nun „einen schonungslosen Blick auf das furchtbare Leid unzähliger Menschen“. Pfeffer: „Gemeinsam mit Bischof Overbeck werden wir mit unseren Fachleuten konkrete Handlungsschritte erarbeiten, die sich als Konsequenz aus der Studie ergeben.“

Seine Trauer angesichts der Ergebnisse gelte in allererster Linie „den vielen Opfern, die oft ihr Leben lang an den Folgen sexuellen Missbrauchs zu leiden haben“, sagte Pfeffer. Es erfülle ihn jedoch auch „mit Fassungslosigkeit, wozu Menschen fähig sind und was in unserer Kirche möglich war und ist“. Zudem verstehe er den Zorn, der der Kirche seit Bekanntwerden erster Ergebnisse der Studie entgegen schlage: „Gerade in den vergangenen Jahrzehnten haben viele Katholiken insbesondere bei Themen der Sexualität mit den hohen moralischen Ansprüchen unserer Kirche gehadert. Nun wird deutlich, dass sich unter den Vertretern dieser hohen Ansprüche tiefste moralische Abgründe offenbaren“, so Pfeffer.

In der bundesweiten Untersuchung von Kleriker-Personalakten auf Missbrauchs-Hinweise, an der sich alle 27 deutschen Diözesen in unterschiedlicher Weise beteiligt haben, ist die Situation im Bistum Essen besonders intensiv untersucht worden. Das Ruhrbistum gehörte zu den zehn Diözesen, die die Forscher der MHG-Studie für einer Langzeituntersuchung aller Personalakten von Priestern und Diakonen zwischen den Jahren 1946 und 2014 ausgewählt haben. In den 17 anderen Bistümern umfasst der Untersuchungszeitraum die Jahre 2000 bis 2010.

Schon vor dem Start der bundesweiten MHG-Studie hatte das Ruhrbistum 2012 die Kölner Anwaltskanzlei Axis beauftragt, alle Personalakten von Priestern und Diakonen mit dem Ziel zu untersuchen, Anhaltspunkte auf sexuelle Missbrauchsfälle durch nicht verstorbene Kleriker ohne Anonymisierung zu dokumentieren. Auf die Ergebnisse der Untersuchung dieser 1549 Personalakten konnten nun auch die MHG-Forscher zugreifen. In ihrer Auswertung haben die Forscher für das Bistum Essen im untersuchten Zeitraum Informationen zu 85 Opfern von sexuellen Übergriffen durch Kleriker gefunden. 72 dieser Opfer seien männlich, 13 weiblich, heißt es in der Studie. Diesen Opfern stehen 19 Priester gegenüber, die wegen sexuellen Missbrauchs juristisch verurteilt worden sein: sieben von ihnen straf- und kirchenrechtlich, vier nur strafrechtlich und acht nur kirchenrechtlich. 41 weitere Priester sieht das Bistum Essen als Beschuldigte an, bei denen es Hinweise auf Missbrauchstaten gibt, die aber juristisch – zum Beispiel auf Grund von Todesfällen der Beschuldigten – nicht zu Verurteilungen geführt haben. Bezieht man diese Zahl von 60 wahrscheinlichen Tätern auf die Gesamtzahl der Priester im Bistum seit 1958 ergibt sich ein theoretischer Anteil von 4,5 Prozent aller lebenden und verstorbenen Diözesan- und Ordenspriester, die aller Wahrscheinlichkeit nach Missbrauchstäter waren.

Als Anerkennung des Leids hat das Ruhrbistum Missbrauchsopfern von Priestern bislang insgesamt 262.400 Euro gezahlt. Abhängig vom jeweiligen Fall lag die Höhe der Zahlungen zwischen 1000 und 15.000 Euro.

(RP)
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