Mensch & Stadt Ein Maskenspiel vor Maskenpublikum

Duisburg · Im Duisburger Theater ging jetzt die Dreifach-Premiere von Bettina Rutschs „Don Juan“ über die Bühne. Mit Theaternormalität hatte das allerdings nichts zu tun: Spielort war die Theaterkantine.

 Mit Masken verwandelte sich die Duisburger Künstlerin Bettina Rutsch mal in Don Juan, mal in Donna Anna.

Mit Masken verwandelte sich die Duisburger Künstlerin Bettina Rutsch mal in Don Juan, mal in Donna Anna.

Foto: Martina Pipprich

Jetzt ist sie raus und dazu gelungen, die Dreifach-Premiere der Duisburger Tänzerin und Literaturwissenschaftlerin Bettina Rutsch, nachdem diese im März aufgrund von Corona abgesagt werden musste. Doch auch jetzt ist von erhoffter Theaternormalität nichts zu spüren.

Und so musste die Premiere vom „Don Juan“ nach einer Erzählung von Ernst Theodor Amadeus (kurz: E. T. A.) Hoffmann am Montag im Duisburger Theater in der dortigen Kantine von Pächterin Petra Grothe stattfinden. Das war zwar gewollt und ebenso eine Premiere, da an diesem Ort des Stadttheaters bisher noch nie Tanz oder Theater oder – wie in diesem Falle – Tanztheater stattgefunden hat. Premiere Nummer drei war dann das von Rutsch neu arrangierte Inszenierungsformat „Opera e Motion“ – eine Art Opernführer live –, das „große Opern auf kleinem Raum erzählt und ertanzt“, wie Rutsch es formuliert.

Mit dem Stoff des spanischen „Don Juan“ beziehungsweise italienischen „Don Giovanni“, dem in der europäischen Dichtung einzigartig vorkommenden Prototyp eines Frauenhelden, haben sich namhafte Künstler auseinandergesetzt, darunter die Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart („Don Giovanni“, 1787) und Richard Strauss („Don Juan“, 1889) sowie die Schriftsteller Christian Dietrich Grabbe („Don Juan und Faust“, 1828), Ödön von Horváth („Don Juan kommt aus dem Krieg“, 1937) und Max Frisch („Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie“, 1953).

Neben der Vorlage von E. T. A. Hoffmanns „Don Juan. Eine fabelhafte Begebenheit, die sich mit einem reisenden Enthusiasten zugetragen“, einer romantischen Künstlernovelle von 1813, verwendet Bettina Rutsch auch kurze Auszüge aus anderen Texten seiner sogenannten „Fantasiestücke in Callots Manier“. Aus diesem Konvolut baut sie sich geschickt ihren Spieltext, kreiert einfallsreich eine dazu passende Choreografie und fügt alles gut durchdacht zu einer äußerst geschlossenen Inszenierung zusammen. Das Ergebnis sind drei Handlungsebenen als Erzählstränge.

Da ist zum einen die Geschichte vom reisenden Enthusiasten, der die Darstellerin der Donna Anna in Mozarts Oper „Don Giovanni“ bewundert und verehrt. Von dieser erzählt der Reisende seinem Freund Theodor in einem Brief.

Auf der zweiten Ebene gibt es den Hoffmannschen Ich-Erzähler, jenen reisenden Enthusiasten also, der einerseits davon berichtet, was sich in seinem Hotelzimmer ereignet, mehr noch aber was von wem an der Wirtstafel in dem Hotel gesprochen und diskutiert wird. Diese Alltagsebene dient aber lediglich als eine Art „Kontrastmittel“ für die eher dominierende phantastische Ebene.

Denn von dieser berichtet der Erzähler andererseits davon, was er von einer Fremdenloge eines an das Hotel grenzenden Provinztheaters aus alles sieht und sich anschließend dort beziehungsweise anderswo zuträgt. Im dritten Erzählstrang schließlich gibt es eine Beschreibung der Opernhandlung selbst, wobei die Protagonisten Don Giovanni (ein junger Lebemann) und Donna Anna (Tochter des Komturs und Braut von Don Ottavio) im Vordergrund stehen, während die übrigen Hauptpersonen – Leporello (Don Giovannis Diener), Der Komtur (Donna Annas Vater), Don Ottavio (Donna Annas Verlobter), Donna Elvira (Don Giovannis ehemalige Geliebte), Zerlina und Masetto (ein bäuerliches Brautpaar) – nur beiläufige Erwähnung finden.

Schauspielerisch, tänzerisch und musikalisch in Szene gesetzt präsentiert sich Bettina Rutsch als wahre Verwandlungskünstlerin: Mal ist sie Ich-Erzähler und Kellner im Hotelzimmer, mal – durch verschiedene Masken – „Don Giovanni“ und „Donna Anna“, wieder ein anderes Mal ist sie Figurenspielerin mittels Flaschen von den Tischgesprächen an der Wirtstafel im Hotel.

Schlussendlich mimt sie ebenfalls maskenhaft den diabolisch-dreinschauenden Tod und schafft damit ein besonders beeindruckendes Moment der Aufführung. Doch manchmal sind es die eher kleinen Details am Rande, die große Ausstrahlungskraft haben, seien es die flatternden Hände für das Herzflattern Donna Annas oder der unmissverständliche Fingerzeig des Todes als Symbol für die ablaufende Lebenszeit Don Giovannis.

Dass diese Gesten, Posen und Bewegungen einschließlich teils außergewöhnlicher Tanzschritte und klassischer Ballettpositionen hier zu großer nonverbaler Erzählkunst führen, verdankt das Tanztheaterstück der Solistin des Abends, aber auch dem genialen Kostümbild der Duisburger Modedesignerin Anna Termöhlen, die Bettina Rutsch – wie schon in fünf Produktionen zuvor – nun auch beim „Don Juan“ ein erneut höchst variantenreiches und ungeheuer verwandlungsfähiges Kostüm, einschließlich drei Masken (Don Giovanni, Donna Anna und der Tod), entwarf und schneiderte.

Das aus überwiegend Jersey, aber auch Baumwolle bestehende Hauptkleidungsstück ist nämlich mal Bluse, mal Trägerhemdchen, mal hemdartiger Kittel und mal mit und mal ohne (schwarzem) Kragen zu sehen.

Bei den am Montag und Dienstag gegebenen Doppelvorstellungen wegen Corona jeweils nur zugelassenen 24 Besuchern war eine große Begeisterung für die gezeigte Inszenierung zu spüren. Sie wurde seitens des Publikums, das die rund einstündige Aufführung maskiert ansehen musste, mit langanhaltendem Schlussapplaus zu Recht belohnt.

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