Duisburg Beschäftigte sind "wie gelähmt vor Angst"

Duisburg · Die Mitarbeiter in den "patientenfernen Bereichen" des Klinikums Duisburg plagen Existenzängste. Sie befürchten, dass sie nach einem Verkauf des städtischen Anteils an den Klinikbetreiber Sana bald auf der Straße stehen könnten.

 Das Klinikum Duisburg: Dem Sanierungsstau will die Stadt Duisburg mit einem Verkauf ihrer Anteile an Sana begegnen - sie sieht keinen anderen Ausweg.

Das Klinikum Duisburg: Dem Sanierungsstau will die Stadt Duisburg mit einem Verkauf ihrer Anteile an Sana begegnen - sie sieht keinen anderen Ausweg.

Foto: Christoph Reichwein

Nackte Existenzangst herrscht unter den Mitarbeitern des Klinikums Duisburg, die in den so genannten "patientenfernen Bereichen" arbeiten, also jenen außerhalb des medizinischen. Küchenmitarbeiterinnen, Haustechnik, das Team der klinikeigenen Apotheke oder der Wäscherei, Reinigungskräfte - sie alle wissen nicht, wie lange sie ihren Job noch haben. Seit klar ist, dass die Stadt ihre Anteile am Klinikum an den Klinikbetreiber Sana verkaufen will und dass Sana offensichtlich freie Hand bei der Reorganisation der "patientenfernen Bereiche" gelassen werden soll, machen sie in der Nacht kein Auge mehr zu.

Von ihren Ängsten, dass für sie schon bald nicht mehr der einschlägige Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst gelten könnte und auch nicht die Regelungen der Zusatzversorgungskasse, dass sie also mit geschätzten 40 Prozent weniger Bezahlung auskommen müssen, oder dass sie - viel schlimmer noch - mit betriebsbedingten Kündigungen rechnen müssen, berichteten gestern gleich mehrere Betroffene in einer Runde, zu der die Gewerkschaft Verdi eingeladen hatte.

"Wir alle zittern um unsere Arbeitsplätze, fragen uns, wie lange wir unsere Miete noch zahlen können", berichtete Karoline Goebert. Die 33-Jährige arbeitet mit fünf weiteren Kollegen in der Apotheke am Klinikum. Claudia Kaldenhoff ist in der Küche beschäftigt. "Mein Chef sagte mir, er wisse nicht, ob ich nächstes Jahr noch einen Arbeitsplatz habe ", erzählte die 49-Jährige.

Ihnen allen sei natürlich klar gewesen, dass sich der Verkauf des Klinikums nicht aufhalten lasse. "Aber dass man jetzt eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Mitarbeitern schaffen will, das geht gar nicht", sagte sie. "Wir sind alle wie gelähmt vor Angst."

Nicht viel anders ergeht es Harald Binder und seinen Kollegen in der Haustechnik. "Ich bin 52, habe fünf Kinder und Immobilienverpflichtungen", sagte er. Seit 26 Jahren arbeite er im Klinikum, und jetzt lasse man ihn einfach "über die Klinge springen". Nicht nur er, sondern auch viele seiner Kollegen stünden "kurz vor dem Nervenzusammenbruch".

Michael Rollmann, Sprecher der Vertrauensleute, fand auch deutliche Worte in Richtung Oberbürgermeister Sören Link und SPD-Fraktion, die ja, genau wie die CDU, bereits angekündigt hatte, dass sie am Montag in der Ratssitzung für den Anteilsverkauf stimmen werde. "Dass gerade eine sozialdemokratische Partei das tut, finde ich zynisch und brutal", sagte Rollmann.

Thomas Keuer, Geschäftsführer des Verdi-Bezirks Duisburg/Niederrhein, kritisierte vor allem, dass seine Gewerkschaft nicht in die Verhandlungen einbezogen worden sei: "Wir wurden in der vergangenen Woche vor vollendete Tatsachen gestellt und konnten keinen Einfluss mehr auf die Ratsvorlage nehmen." Wäre dies möglich gewesen, hätte Verdi ganz bestimmt verhindert, dass sich Sana "die Hintertür offen lässt, alle patientenfernen Dienstleistungen anders behandeln zu dürfen". Er bezeichnete es als "zynisch, dass ausgerechnet die auf der Strecke bleiben sollen, die auf sozialverträgliche Einkommen angewiesen sind". Ärzte und Krankenpfleger, so Keuer, hätten keine großen Probleme auf dem Arbeitsmarkt - "diese Gruppe schon".

Bisher war von 800 die Rede, aber laut Keuer könnten es bis zu 1000 betroffene Mitarbeiter in diesen Bereichen sein, sagte er gestern. Das bestätigte auch der Betriebsratsvorsitzende Helmut Böckeler. "Das Schlimme ist, dass wir ja nicht wissen, welche Bereiche outgesourced werden sollen. Man sagt uns ja nichts", beklagte er.

Verdi-Chef Keuer kündete an, dass seine Gewerkschaft am Montag ab 13 Uhr vor der entscheidenden Ratssitzung auf dem Burgplatz demonstrieren werde. Er hofft, dass sich die Ratsmehrheit auf ihre "besondere soziale Verantwortung besinnt und es noch zu einem Umdenken kommt".

Von der Politik fordert Keuer, die Verwaltungsvorlage von der Tagesordnung zu nehmen, "damit wir und der Betriebsrat nachverhandeln und die Vertragsmodalitäten im Sinne der Beschäftigten anpassen können." Falls die Politik da nicht mitmache, so Keuer, "behalten wir uns gewerkschaftliche Antworten vor".

(RP)
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