Migranten in Duisburg An Armutswanderung gewöhnen

Duisburg · Die SPD-Ortsvereine Neudorf und Duissern befassten sich mit dem Problem der vielen Rumänen und Bulgaren in der Stadt und zeigten Verständnis für deren Notlagen.

 Das Hochhaus In den Peschen hat in den vergangenen Monaten immer wieder für schlechte Schlagzeilen gesorgt — für viele Anwohner sind die dort lebenden Migranten verantwortlich.

Das Hochhaus In den Peschen hat in den vergangenen Monaten immer wieder für schlechte Schlagzeilen gesorgt — für viele Anwohner sind die dort lebenden Migranten verantwortlich.

Foto: Probst, Andreas

Die Problematik rund um die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien stößt auf immer größeres Interesse. Die Neudorfer und die Duisserner SPD hatten zu dem Thema in "Franky's Silberpalais" eingeladen und mit dem Geschäftsführer der Duisburger AWO-Integrations GmbH, Karl-August Schwarthans, einen fachkundigen Referenten aufgeboten. Schwarthans hatte jede Menge Zahlen im Gepäck und eine gehörige Portion "Frust im Bauch". Seine Erfahrung: "Gelder aus Brüssel, Berlin oder Düsseldorf zur Lösung der dringendsten Probleme vor Ort sind nicht zu erwarten."

Dennoch wollte er mit Zahlen, Daten und Fakten "Bilder geraderücken und Märchen und Legenden zerstören". Schwarthans machte deutlich, dass die derzeit knapp 6200 Zuwanderer (Stand 1.1.2013) aus Bulgarien und Rumänien sich völlig legal in Duisburg aufhalten. "Das sind EU-Bürger, die sich nach der Osterweiterung der Gemeinschaft im Jahre 2007 freizügig in Europa bewegen dürfen", betonte er. Auch sei das Zuwanderungsproblem keines, was sich nur auf Duisburg konzentriere.

"Daran sollten wir uns gewöhnen"

Die statistischen Zahlen für das Jahr 2011 besagen, dass in Deutschland zu diesem Zeitpunkt 57.000 Menschen aus Bulgarien und Rumänien gemeldet waren. "Aufgrund der großen sozialen Unterschiede in Europa wird es diese Armutswanderung auch weiterhin geben, daran werden wir uns gewöhnen müssen", erläuterte Schwarthans. Der AWO-Experte konnte mit Zahlen aufwarten, die schon überraschten: "Italien hat eine Zuwanderung von über einer Million Menschen aus Südosteuropa zu verkraften, und auch die in Zuwanderungsfragen so restriktive Schweiz registriert für 2012 ein Zuwanderungsplus von 23 Prozent."

Ab kommendem Jahr steht den Zuwanderern der deutsche Arbeitsmarkt offen. Bis dahin können sie hier nur ein Gewerbe anmelden oder "schwarz" für absolute Billiglöhne arbeiten, wenn sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen wollen. In diesem Zusammenhang sei auch die Prostitution zu sehen, die eben eine Möglichkeit im täglichen Überlebenskampf darstellt. Schwarthans: "Der Bedarf schein ja wohl da zu sein." Nur Anspruch auf Kindergeld besteht, nicht der auf Hartz IV. "Hier leben 6000 Menschen unterhalb des Hartz-IV-Niveaus", erläuterte Schwarthans. Besonders katastrophal sei dabei die Situation der Kinder. Hier stünden 140 Kinder auf der Warteliste, um beschult zu werden. "Da werden bereits Probleme der nächsten Jahre vorprogrammiert, das ist ein unhaltbarer Zustand", erklärte Schwarthans erzürnt. Für ihn haben die Schulverwaltung und die Schulaufsicht klar versagt.

Dieselben Fehler gemacht

In diesem Zusammenhang entlarvt der AWO-Geschäftsführer auch den gebetsmühlenartig wiederholten Kernsatz der NRW-Landesregierung "Wir wollen kein Kind zurücklassen" als inhaltsleere Floskel. In Hochfeld würden jedenfalls viele Kinder zurückgelassen. Auch an den Stadtverantwortlichen (wobei er das Jugendamt ausdrücklich ausnimmt) lässt Schwarthans kein gutes Haar: "Es gibt viel teuer bedrucktes Papier mit Handlungsempfehlungen, aber im Grunde passiert einfach nichts und die Gruppierungen vor Ort, die sich um die Probleme der zugewanderten Menschen kümmern, werden ziemlich alleine gelassen."

Das empfand Nicole Abbassi vom Caritas-Centrum Nord genau so: "Wir haben aus den Fehlentwicklungen der ersten Integration offensichtlich gar nichts gelernt. Wir machen die gleichen Fehler wieder." Auch Judith Haesters, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Hochfeld-Nord , redete Klartext: "Es muss sich auch was in unseren Köpfen ändern, die Menschen werden wegen ihrer Identität abgelehnt." Ein Mitarbeiter des Duisburger Jugendamtes sprach von einer "humanitären Katastrophe mitten in unserer Wohlstandsgesellschaft". Es habe wohl die offizielle Linie gegeben, "nur die Füße still halten, dann gehen die wieder weg". Und für den eher realitätsfernen und "akademischen" Diskussionsvorschlag, dass die Betroffenen doch einen Rechtsanspruch auf Beschulung einklagen sollten, hatte Judith Haesters nur ein müdes Lächeln: "Die haben Hunger."

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