Duisburger Kulturwochen eröffnet Akzente gegen die Feindbilder

Duisburg · Am Samstag wurden die traditionsreichen Duisburger Kulturwochen mit Remarques "Im Westen nichts Neues" im Stadttheater eröffnet. Vorab versammelten sich geladene Gäste in der benachbarten Liebfrauenkirche.

 Das Schauspiel Hannover zeigte zum Auftakt des Theatertreffens seine Bühnenfassung von Remarques Antikriegsroman "Im Westen nichts Neues".

Das Schauspiel Hannover zeigte zum Auftakt des Theatertreffens seine Bühnenfassung von Remarques Antikriegsroman "Im Westen nichts Neues".

Foto: katrin ribbe

Handwerker schießen auf Handwerker, Beamte schießen auf Beamte, Studenten schießen auf Studenten, und Künstler schießen auf Künstler. - Der Künstler Harald Reusmann hat das Unsinnige und Perverse des Krieges mit einer eigenwilligen Bildsprache kommentiert. Diejenigen, die da gegeneinander kämpfen, sind bei ihm keine Menschen, sondern Insekten. "Hybris" heißt Reusmanns Ausstellung, die während der Akzente in der Liebfrauenkirche zu sehen ist. Reusmann schlägt eine Brücke zur Fabelwelt und baut in seine kriegerischen Insektenbilder Feldpostkarten aus dem Ersten Weltkrieg ein. Eröffnet wurde die eindrucksvolle Schau eine gute Stunde vor dem eigentlichen Beginn der 39. Duisburger Akzente in der "Kulturkirche", die neben dem Stadttheater ein Hauptspielort der beiden traditionsreichen Kulturwochen ist, die in diesem Jahr unter dem Fragezeichen-Motto "Nie wieder Krieg?" stehen.

Oberbürgermeister Sören Link ging in seiner beachtlichen Ansprache vor den geladenen Gästen, unter ihnen auch viele Akteure der Akzente, auf das Fragezeichen im Motto ein. Angesichts der zahlreichen Konflikte in der Gegenwart könne man auf das - wie eine Bombe gestaltete - Fragezeichen bei der bekannten pazifistischen Losung wohl nicht verzichten, gleichwohl sollten die Akzente nicht resignierend in Hoffnungslosigkeit verfallen. Das werde beispielsweise beim Programm des Filmforums deutlich, bei dem der Weg von der deutsch-französischen "Erbfeindschaft" zur deutsch-französischen Freundschaft markiert werde.

 Die Fassade der Liebfrauenkirche wird bis zum 18. März abends angestrahlt.

Die Fassade der Liebfrauenkirche wird bis zum 18. März abends angestrahlt.

Foto: Christoph Reichwein

Passend zum Akzente-Thema spielte ein Ensemble der Duisburger Philharmoniker Strawinskys "Geschichte vom Soldaten". Für eine gewisse Verstimmung sorgte die kurzfristige Absage des Parlamentarischen Staatssekretär Klaus Kaiser, der eigentlich ein Grußwort aus dem Kulturministerium hätte sprechen sollen, aber, wie es hieß, wegen Erkrankung nicht kommen könne. Es hätte zumindest ein Grußwort aus dem Ministerium verlesen werden können, meinten einige Gäste.

Nach dem Vorspiel in der Liebfrauenkirche ging es am Samstagabend dann hinüber ins Stadttheater zum Gastspiel des Schauspiels Hannover. Man kann sich kein geeigneteres Stück zur Eröffnung der diesjährigen Akzente denken als die Bühnenadaption von Erich Maria Remarques 1928 erschienenen Roman "Im Westen nichts Neues". Remarque ist mit diesem Werk zwar in ganz kurzer Zeit weltbekannt geworden, doch wird dieser großartige Antikriegsroman in der Literaturkritik bisweilen unterschätzt. Wer diesen Roman - vielleicht nach vielen Jahren - heute wiederliest, wird von Anfang an von Remarques ungeschönten Schilderungen des Krieges, die in aller Konsequenz aus der Perspektive eines 18-jährigen Gymnasiasten geschrieben sind, ergriffen. Nicht ohne Grund brauchte Remarque zehn Jahre, um seine eigenen Erlebnisse, wozu übrigens auch sein monatelanger Aufenthalt im Duisburger Lazarett (St.-Vincenz-Hospital) gehört, in die richtige Form zu bringen.

 Ein Ensemble der Philharmoniker spielte Strawinskys "Geschichte vom Soldaten". Darüber ein Hauptwerk der "Hybis-Ausstellung".

Ein Ensemble der Philharmoniker spielte Strawinskys "Geschichte vom Soldaten". Darüber ein Hauptwerk der "Hybis-Ausstellung".

Foto: christoph reichwein

Remarque schreibt in der Gegenwart, und zwar in der Ich-Form. Paul Bäumer beschreibt da, wie er und seine Freunde, aufgestachelt vom Lehrer, von der Schulbank in den Krieg geschickt werden, wo sie Gräuel erleben, die realistisch beschrieben werden. Der Roman mutet nie ideologisch an, entfaltet aber gerade deshalb seine enorme Wirkung. Der Schluss, der auch zum Titel führt, ist schockierend: In den letzten Sätzen gibt Remarque die Ich-Perspektive auf und erzählt als außenstehender Chronist, dass Paul Bäumer an einem ereignislosen Kriegstag gefallen ist. Der Heeresbericht vermerkt: Im Westen nichts Neues.

Vor zwei Jahren wurde die Remarque-Bearbeitung vom Schauspiel Hannover bereits in Duisburg gezeigt. Jetzt war dieses Stück, bei dem das Entsetzen über die Kriegsmaschinerie mit eimerweise verspritztem Theaterblut sinnfällig gemacht wird, der Auftakt zum Akzente-Theatertreffen. Wie vor zwei Jahren war das Publikum schockiert vom Stoff und begeistert vom Schauspiel. Am Ende standen die meisten Besucher auf und spendeten minutenlangen Applaus.

(pk)
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