Zentralbibliothek Duisburg zieht ins Stadtfenster Abschied vom zweiten Wohnzimmer

Duisburg · Morgen Abend schließt die Zentralbibliothek Duisburg am alten Standort und zieht in das Stadtfenster. Ein ganz persönlicher Abschied nach vier Jahrzehnten von der Düsseldorfer Straße 5-7.

 RP-Mitarbeiter Ingo Hoddick ist Dauergast in der Zentralbibliothek Duisburg gewesen. Für ihn sind viele private Erlebnisse mit dem alten Haus an der Düsseldorfer Straße verbunden.

RP-Mitarbeiter Ingo Hoddick ist Dauergast in der Zentralbibliothek Duisburg gewesen. Für ihn sind viele private Erlebnisse mit dem alten Haus an der Düsseldorfer Straße verbunden.

Foto: Christoph Reichwein

Seit fast vier Jahrzehnten besuche ich die Zentralbibliothek Duisburg an der Düsseldorfer Straße 5-7, inzwischen nahezu täglich. Ich kann mich noch erinnern, dass an der Fassade des "Europa-Hauses" die riesigen Umrisse unseres Kontinents prangten, wie aus einem etwas muffigen Bücherbunker ein recht freundlicher, moderner Medienstandort wurde, wie nebenan unter der selben Hausnummer aus dem Kino mit mehren Sälen und dem Herrenausstatter später das zeitweise recht erfolgreiche Boulevard-Theater "Comoedie" und der Opernshop wurden, von denen nur noch Letzterer besteht.

Das Gebäude mag kein ästhetischer Meilenstein sein, doch auch solide Gebrauchsarchitektur ist in einer Stadt wie Duisburg nicht zu verachten. Es wurde für mich zu einer Art zweitem Wohnzimmer, zu einem Ort ständiger Recherche zunächst für Schule und Studium, dann seit 28 Jahren auch als RP-Mitarbeiter - und das nicht nur für mein Haupt-Fachgebiet, also in der Musikbibliothek. Ein nicht nur, aber meist angenehmer Ort, an dem man auf nicht nur, aber meist angenehme Menschen traf.

In der Regel eine Oase der Ruhe - das wissen auch jene Generationen von Schülern und Studierenden, die hier nicht unbedingt etwas ausliehen, aber sich zum Lernen trafen und damit manchmal selbst eben jene Ruhe störten. Ein wahrhaft öffentlicher Ort eben, an dem sich fast ein Querschnitt der Gesellschaft begegnete. Das wiederum wurde gerade begünstigt durch die nicht "geleckte", sondern "gemütliche" Atmosphäre. Die Patina des Hauses belegte seine Verlässlichkeit.

Nicht zu vergessen meine diversen abendlichen Termine im hinteren Teil des Erdgeschosses, wenn der Verein für Literatur und Kunst oder die Stadtbibliothek selbst wieder einmal einen mehr oder weniger bekannten schreibenden und/oder vorlesenden Menschen eingeladen hatte. Eigentlich ein Provisorium, denn der "Vortragssaal" ganz hinten - übrigens ein ehemaliger Saal des Kinos - hatte sich als wenig tauglich erwiesen. So baute man die Vorträge einfach in die Bibliothekslandschaft ein.

Niedrige Decke, eine eher punktuelle Beleuchtung, drumherum Bücherregale zum Thema Sport oder Geografie - das klingt primitiv, wurde aber von den Literaten und Besuchern als angemessen und intim geschätzt. Wenn Christian Brückner oder Jan-Philipp Reemtsma kamen, musste alles mit Stühlen vollgestellt werden, bald war die Luft zum Schneiden. Doch es waren immer große Abende.

Nun hat der alte Standort ausgedient. Am morgigen Samstag, 7. Februar, schließt die "alte" Zentralbibliothek und zieht bis zum Sommer um in das "Stadtfenster" an der Steinschen Gasse. Einst war es Bedingung für die Umnutzung des ehemaligen Kaufhauses zur "Stadtbücherei", wie es damals hieß, dass darin kein kommerzieller Betrieb angesiedelt werden durfte. Nun wird das alte Gebäude abgerissen, um einem Billig-Kaufhaus zu weichen - so ändern sich die Zeiten.

Zum Abschied am Samstag hat das Haus nicht wie sonst an diesem Wochentag bis 16 Uhr, sondern bis 18 Uhr geöffnet. Sicher, die Gewöhnung an die neue Zentrale im Stadtfenster wird bald einsetzen, manches wird dort sicherlich besser sein. Aber die Erinnerung an früher verbrachte Lebensjahrzehnte, mit vielen privaten Erlebnissen, dürfte nicht nur für mich mit dem alten Haus verbunden bleiben.

(hod)
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