Duisburg Abgenudelter Klassiker in neuem Licht
Duisburg · Als Gotthold Ephraim Lessings "Nathan der Weise" in der Regie von Lisa Nielebock vom Schauspiel Essen als letztes Gastspiel der Spielzeit im Duisburger Theater angekündigt wurde, war schon klar, dass die gerade einmal 32 Jahre junge Regisseurin eine genau am Text arbeitende und dabei ungemein lebendige Inszenierung abliefern würde.
Hier waren ja schon ihre Bochumer Meisterstücke "Gespenster" (von Ibsen) und "Macbeth" (von Shakespeare) zu bewundern (die RP berichtete).Nun also das "dramatische Gedicht" über Toleranz und Vernunft, über die Relativität der Religionen. Lisa Nielebock enttäuschte die Erwartungen nicht und ließ den abgenudelten Klassiker noch einmal in ganz neuem Licht erscheinen. Es war ein Menschenversuch, wie ihn das Zeitalter der Aufklärung so liebte — Lessing als Zeitgenosse von Marivaux! —, aber zugleich sollte man den zentralen Tisch auch als Familientisch sehen können.
Die Pointe des Stückes besteht ja bekanntlich darin, dass die Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Glaubens letztlich miteinander verwandt sind. Das ist vor allem großartiges Schauspielertheater, die sieben Darsteller liefern liebevolle Rollen-Porträts. Allen voran Jürgen Hartmann als verblüffend gelassener Nathan, ein reicher Jude in Jerusalem, und Barbara Hirt als exaltiert pubertierende Recha, dessen angenommene Tochter. Schade nur, dass hier nicht durchweg die allerdeutlichste Sprechtechnik zu vernehmen war. Da sind wir noch verwöhnt von den gerade zu Ende gegangenen Akzenten mit den Spitzen-Bühnen aus Wien und Berlin.
Wenn mit Lebensmitteln herumgesaut wird, ist das ja eigentlich ekelhaft. Aber so wie hier diverses Obst als Ersatz-Objekte der Lust und der Gewalt herhalten musste, das war schon ein kluger Spaß.
Im Publikum waren auch zahlreiche Schülerinnen und Schüler. Als der Schauspieler Holger Kunkel in seiner Rolle als Derwisch sich seiner sämtlichen Kleidung entledigte, gerieten einige junge Damen auf den Rängen hörbar aus der Fassung.