Auftakt der Duisburger Filmwoche Dramaturgie „auf nicht ausgelatschten Pfaden“

Duisburg · Vom 7. bis 13. November zeigt die Duisburger Filmwoche im filmforum am Dellplatz (Josephshaus/Goldstraße 18) ein Programm von insgesamt 24 Dokumentarfilmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Einzelkarten können online ab Donnerstag, 13. Oktober über das filmforum erworben werden.

 Filmwochen-Leiter Alexander Scholz und Volker Heckner, Leiter der Volkhochschule präsentieren das Plakat der Filmwoche vor dem Festivalkino filmforum am Dellplatz.

Filmwochen-Leiter Alexander Scholz und Volker Heckner, Leiter der Volkhochschule präsentieren das Plakat der Filmwoche vor dem Festivalkino filmforum am Dellplatz.

Foto: Stefan Kohl

Die 46. Duisburger Filmwoche startet dieses Jahr am 7. November. „Mit Demut und Freude“ übernahm der neue Leiter der Filmwoche Alexander Scholz, die Aufgabe die Festivität zu organisieren. Durch eine mehrtägige Filmschau und anschließende Diskussionen wählte eine sechsköpfige Auswahlkommission aus über 100 eigensendeten Filmen die 24 Dokumentarfilme aus, die das Programm der Filmwoche gestalten werden.

Dieses Jahr wäre der Auswahlprozess allein durch die schiere Anzahl der Einsendungen schwergefallen, meinte Scholz. Ein Viertel mehr Einreichungen habe es gegeben. Das diesjährige Motto der Filmwoche „Im Werden begriffen“ wirkte als Bewertungskriterium konstitutiv und ein künstlerischer Anspruch sei entscheidend gewesen.

Besonderes Augenmerk wurde daher auf eine Dramaturgie, die sich nicht auf „ausgelatschten Pfaden bewegen soll“, gelegt. Scholz holte damit zu einem kleinen Seitenhieb gegen Doku-Serien und „True Crime“ Formate und deren problematischen Authentizitätsanspruch aus. Es gehe um einen offenen Prozess, um eine Darstellung von Zeit und Entwicklungen, der nicht schon im Vorhinein determiniert sein soll.

Der Wortlaut des Mottos gehe auf einen ungarischen Filmtheoretiker namens Béla Balázs zurück, der in den 20iger Jahren zu dieser Prozesshaftigkeit publizierte. Gefördert wird das Festival vom Kultusministerium NRW und der Filmstiftung NRW.

Dem Pressepublikum wurden bereits Einblicke in vier Filme gewährt. Darunter auch der Eröffnungsfilm Tara (86 Min.) von Frencesca Bertin und Volker Sattel. Der Film entwirft ein Landschaftsbild am Ufer des „Fluss des Glücks“ im süditalienischem Taranto, durch Geschichten der Einheimischen, die am Ufer nach Abkühlung und Heilung suchen. Hohe Wassergräser versperren die Sicht auf das umliegende Land. Die Suche nach Magie wäre vergebens.

Zu sehen gäbe es nur das benachbarte Stahlwerk, das seine Abwässer in den Fluss leitet. Das Prozesshafte tritt hier zu Tage. Das festgehaltene Zusammenspiel von Bevölkerung, Natur, Verschmutzung, dem Stahlwerktbetreiber Ilva als größter Arbeitsgeber der Region und der staatlichen Umweltbehörde weist eine Dialektik auf, die über das Gezeigte hinaus Erkenntnis verspricht. Gezeigt wird Tara am 7. November um 21 Uhr sowie am 13. November um 13 Uhr.

Sonne unter Tage von Alex Gerbaulet und Mareike Bernien (39 Min.) unternimmt den Versuch, mittelbare Erfahrung durch unmittelbare im Film festzuhalten. Strahlen- und Umweltbelastungen sollen durch Stilmittel des Films sichtbar gemacht werden. Der Film thematisiert den Uranabbau durch Wismut in Sachsen und Thüringen von 1946 bis 1990. Die Entwicklung der Landschaften, die Versprechen der DDR Führung und die Ideologie des Systems werden dargestellt. Durch die Erzählungen aus Biographien von Zeitzeugen aus der DDR Umweltbewegung gewinnt der Film an Substanz - erst Kurgebiet, dann Abbaugebiet, später Sanierungsgebiet. Eine Retrospektive des Radiums „Wie lange dauert es, bis eine Erinnerung zerfällt?“. Zu sehen ist Sonne unter Tage am 10 November um 20 Uhr und am 13. November um 15 Uhr.

Der Film von Matilda Mester Nakskov 1:50 (90 Min.) kann als post-modernistische Studie zur Gegenwart gelesen werden, in der Arbeitskraft nicht mehr den entscheidenden Produktionsfaktor darstellt. Die am Reißbrett geplante Stadt Nakskov liegt auf der dänischen Insel Lolland. Die Industrie in Form einer Schiffswerft und einer Zuckerfabrik benötigen die ansässige Bevölkerung nicht mehr.

Die Werft wurde geschlossen, die notwendige Arbeit in der Zuckerfabrik wurde Großteils automatisiert. Ehemalige Beschäftigte arbeiten nun in einer Werkstatt an einer Miniatur im 1 zu 50 Format der Stadt und erzählen von der Entwicklung der Stadt.

So begleitet die Kamera auch einen Werftarbeiter zu seinem damaligen Arbeitsplatz. In der riesigen Werfthalle kehrt der heutige Rentner mit einem Besen den angesetzten Staub zu einem Abdruck der Größe und Form eines damals gefertigten Schiffes an. Die Geschichte und die Erinnerung des Ortes werden hier von Mester durch ihre Bilder manifestiert. Mit deutschen Untertitel ist die deutsche Erstaufführung des Films am 8. November um 20 Uhr zu sehen.

Vlog #8998 | Korean Karottenkuchen & Our Makeup Routine von Ji Su Kang-Gatto (46 Min.) wird in Kooperation mit doxs!, dem Dokumentarfilm-Format für Kinder und Jugendliche vorgestellt. Der Film zieht mit minimalistischen Mitteln die Einwanderungsgeschichte, den Alltag und den erlebten Alltagsrassismus einer koreanischen Familie nach. Dabei soll eine Mehrgenerationen-Perspektive eingenommen werden. Protagonistin und Regisseurin ist dabei Ji Su und ihre Schwester Ji Hoe, die eine in Deutschland aufgewachsen, die andere in Korea. Am 8. November ist der Vlog im filmforum zu sehen.

Dieses Jahr findet sich die Filmwoche in verschiedenen Standorten zu unterschiedlichen Terminen ein. Als Dauerinstallation in der cubus Kunsthalle (Friedrich-Wilhelm-Straße 64) wird etwa Dunkelfeld (16 Min.) im Rahmen von Duisburg im Dunkeln am 10. November um 9 Uhr zu sehen sein. Ole-Kristian Heyer, Patrick Lohse und Marian Mayland haben im Auftrag der Initiative „Duisburg 1984“, die von Angehörigen und Hinterbliebenen der damaligen Opfer betrieben wird, die vermutlichen Anschläge in Duisburg im August 1984 in ihrem Kurzfilm dokumentiert.

Sieben Menschen kamen damals ums Leben, als ein Haus von Gastarbeitern bewohnt, abbrannte. Die Polizei schloss Rassismus als Tatmotiv aus. Die Überlebenden fragen sich bis heute, ob es Zufall war, dass ihr Haus angezündet wurde.

Bei der auch dieses Jahr wieder stattfindende Preisverleihung der Duisburger Filmwoche am 12. November um 20 Uhr im filmforum werden fünf Preise vergeben: Der ARTE-Dokumentarfilmpreis und der 3sat-Dokumentarfilmpreis für den Langfilm mit jeweils 6000 Euro dotiert, den Preis der Stadt Duisburg für die kurze oder mittellange Form dotiert mit 5000 Euro, den Nachwuchspreis des Landes NRW „Care blanche“ , dotiert mit 5000 Euro und den Publikumspreis der Rheinischen Post für den beliebtesten Film, dotiert mit 1000 Euro.

Tickets gibt es für alle Abendvorstellungen an der Abendkasse im filmforum. Einzeltickets für sechs Euro (ermäßigt vier Euro) sind ab dem 13. Oktober im filmforum erhältlich. Besitzer eines Einzeltickets oder Kunden der Stadtbibliothek Duisburgs können für 15 Euro einen Online-Zugang erwerben. Auf der Onlineplattform foyer.duisburg-filmwoche.de werden die Wettbewerbsfilme für den Festivalzeitraum abrufbar sein. Außerdem werden die Diskussionen und das Rahmenprogramm dort im Livestream übertragen.

Der Zugang ist ab dem 7. November im Festivalzentrum, sprich im Foyer der VHS und der Stadtbibliothek, erhältlich. Die Diskussionen, zu denen alle Besucher der Filmvorstellungen eingeladen sind, finden jeweils direkt im Anschluss im Diskussionssaal Josephshaus (Goldstraße 18) statt. Dies gilt jedoch nicht für das Sonntagskino.

Nach der Preisverleihung gegen 21.30 Uhr findet die Abschlussparty der Filmwoche am Stapeltor im soziokulturellen Zentrum (Stapeltor 6) statt. Zudem lädt die Filmwoche in Kooperation mit der Sparkasse Duisburg zum „Sonntagskino: Filme für die Stadt“ am 13. November ein. Gezeigt wird Kayu Besi, den Eröffnungsfilm Tara und Sonne unter Tage.

Eine weitere Kooperation findet mit filmfriend, dem Online-Portal der Bibliotheken statt. Auf der Internetseite https://www.filmfriend.de/de/collections/duisburg-filmfriend-2 werden zahlreiche Filme von Nachwuchsregisseuren gezeigt. Mitglieder der Duisburger Stadtbibliothek können diese über ihren Bibliotheks-Log-In anschauen.

Des Weiteren organisiert in Zusammenarbeit der VHS mit der Filmwoche „Duisburg im Bilde“. Dokumentarfilme aus früheren Programmen des Festivals werden am 15. und 29. Oktober um 15.30 Uhr aufgeführt. Im Anschluss findet ein Publikumsgespräch mit Filmemachern und Zeitzeugen statt.

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