Duisburg 23-Jähriger sticht 60 Mal auf Mutter ein

Duisburg · Aus bisher ungeklärtem Grund hat ein 23-Jähriger in Rahm seine Mutter mit 60 Messerstichen in der gemeinsamen Wohnung getötet. Nach der Tat fuhr der Mann nach Essen und stellte sich dort der Polizei.

 Das Wohnhaus an der Straße "Am Böllert", in dem die Mutter mit ihrem Sohn im Dachgeschoss lebte. Die direkten Nachbarn wollten gestern nicht über die Lebensumstände der Familie sprechen. "Aus Respekt vor der Toten", wie eine Frau mitteilte.

Das Wohnhaus an der Straße "Am Böllert", in dem die Mutter mit ihrem Sohn im Dachgeschoss lebte. Die direkten Nachbarn wollten gestern nicht über die Lebensumstände der Familie sprechen. "Aus Respekt vor der Toten", wie eine Frau mitteilte.

Foto: Ralf Hohl

Im Vorgarten des Hauses an der Straße "Am Böllert" hat jemand frische Rosen gepflanzt. Im Briefkasten der Familie stecken ungelesene Werbeblättchen und Zeitungen. Sonst deutet von außen nichts auf die grausame Tat hin, die einer 52-jährigen Frau im Stadtteil Rahm-West das Leben gekostet hat. Ihr eigener Sohn hat die Frau mit 60 Messerstichen in der gemeinsamen Wohnung getötet — das gilt als sicher. Das Motiv ist noch unklar. Die Staatsanwaltschaft hat eine Mordkommission gebildet.

Gegen halb zehn am Mittwochmorgen betrat der 23-Jährige die Polizeiwachse Essen-Mitte. Seine Kleidung war blutverschmiert, der Mann wirkte verwirrt. Er habe seine Mutter getötet, erklärte der junge Mann und bat die Beamten, zu seiner Wohnung zu fahren. Warum er die Mutter tötete, dazu hat der Duisburger laut Staatsanwaltschaft bisher noch nichts gesagt.

Die Essener Beamten alarmierten umgehend die Duisburger Kollegen. Ein Schlüsseldienst öffnete ihnen wenig später die Dachgeschosswohnung in Sichtweite der S-Bahn-Haltestelle Rahm. Im Schlafzimmer der Wohnung fanden die Polizisten den blutüberströmten, leblosen Körper der 52-jährigen Frau. Ihre Leiche wies schwere Stichverletzungen am Hals und im oberen Teil des Bauches auf.

Gestern wurde der Leichnam obduziert. Danach stach der Sohn insgesamt 60 Mal auf seine Mutter ein, wobei er zwei verschiedene Messer verwendete. Staatsanwalt Martin Hein geht von einer verminderten Schuldfähigkeit des 23-Jährigen aus. Der Täter leide unter Angstzuständen und sei seit längerer Zeit in psychiatrischer Behandlung gewesen, sagte er. Weil der Mann derzeit nicht haftfähig ist, wurde er in die Rheinische Landesklinik nach Essen gebracht.

Als Tatwaffen hat die Polizei zwei in der Wohnung gefundene Küchenmesser identifiziert. Dem Sohn wurde eine Blutprobe entnommen. Angeblich stand er zum Tatzeitpunkt unter erheblichem Einfluss von Psychopharmaka, Alkohol und weiteren Betäubungsmitteln. Bei seiner Vernehmung hat der junge Täter keinen Grund für sein furchtbares Verbrechen nennen können. Er wisse selbst nicht, warum er das getan habe — so seine bisherige Einlassung. Die Staatsanwaltschaft hat Antrag auf Haftbefehl wegen Totschlags gestellt. Im Falle einer Verurteilung droht dem Täter eine dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie.

Die Nachbarschaft rund um das Wohnhaus an der Straße Am Böllert, das in der Nähe eines Kindergartens liegt, reagierte gestern geschockt. Viele hatten zwar das Polizeiaufgebot wahrgenommen, doch Rückschlüsse auf das tatsächliche Geschehen zog kaum jemand. Der mutmaßliche Täter ist nicht nur für die Polizei ein völlig unbeschriebenes Blatt. Auch im persönlichen Umfeld ist er offenbar kaum in Erscheinung getreten zu sein. Bastian Tohl, ein junger Mann aus der Nachbarschaft, kennt den 23-Jährigen nur vom Sehen. "Das war ein ganz ruhiger Vertreter, er ist eigentlich immer nur mit gesenktem Kopf von der S-Bahn in das Wohnhaus gehuscht. Gesprochen hat er unterwegs mit niemandem."

Noch am Tag vor der Bluttat will Tohl den Mann gesehen haben. "Ich war auf dem Weg zu einem Spieleabend mit Freunden. Er ist mir entgegen gekommen. Er war genau so schweigsam und verschlossen wie immer." Dass der Mann noch in der gleichen Nacht die eigene Mutter wie im Rausch mit 60 Messerstichen getötet hat, überrascht Tohl aber nicht wirklich: "Hätte ich raten müssen, dann hätte ich wohl auf ihn als Täter getippt. Er ist halt einfach ein merkwürdiger Typ."

Die Besitzerin des nahen Kiosks hat die Mutter und ihren Sohn ebenfalls kaum wahrgenommen. Von einem Ex-Mann weiß sie zu berichten, zuletzt hätten die 52-jährige Frau und ihr 23-jähriger Sohn aber alleine in der Wohnung gelebt. Auch die Bewohnerin eines in der Nähe liegenden Wohnhauses kannte das Opfer und den mutmaßlichen Täter allenfalls flüchtig. "Schrecklich, wenn so eine Tat in der direkten Nachbarschaft passiert. Da fragt man sich dann schon, ob man nicht etwas hätte bemerken müssen."

Die unmittelbaren Nachbarn in dem Wohnhaus, in dem Mutter und Sohn gelebt haben, hüllten sich gestern in Schweigen. "Aus Respekt vor der Toten" werde man nichts zu den Lebensumständen der Familie sagen, sagte eine Frau, als sie das Haus kurz verließ.

(RP/EW/jco/top)
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