Duisburg 1000 Mieter sollen Parkplätzen weichen

Duisburg · Weil er in einem Wohnviertel in Duisburg-Hamborn ein Outlet-Center mit 2600 Parkplätzen plant, will ein niederländischer Investor 1000 Bewohner umsiedeln lassen. Die meist älteren Mieter sind entsetzt. Sie wollen ihre Wohnblocks unter Denkmalschutz stellen lassen.

 Viele Bewohner haben noch ein Jahr Kündigungsschutz. Schon jetzt werden ihnen Ersatzwohnungen angeboten - gerade für viele ältere Nachbarn sei das aber keine Option, sagen Horst Niewrzol (r.) und Helmut Mattern.

Viele Bewohner haben noch ein Jahr Kündigungsschutz. Schon jetzt werden ihnen Ersatzwohnungen angeboten - gerade für viele ältere Nachbarn sei das aber keine Option, sagen Horst Niewrzol (r.) und Helmut Mattern.

Foto: Probst, Andreas

Seit 50 Jahren wohnt Horst Niewrzol mit seiner Frau in der Siedlung am Zinkhüttenplatz in Duisburg-Hamborn. Von seiner Wohnung in der ersten Etage seines Hauses blickt der Rentner direkt auf eine gepflegte Grünanlage vor seiner Haustür. Die Hecken sind gestutzt, die Blumen geschnitten, nirgendwo liegt Müll herum. "Wir achten hier alle auf Ordnung und Sauberkeit", sagt er. "Unsere Siedlung ist genau das, was man gemeinhin als ruhige Vorstadtgegend bezeichnet."

Doch mit der Ruhe ist es vorbei. Die Häuser, in denen insgesamt rund 1000 Menschen leben, sollen möglichst schnell abgerissen werden, um Platz für etwa 2600 Parkplätze zu schaffen. Ein niederländischer Investor will auf dem Gelände der Rhein-Ruhr-Halle, die an die Siedlung grenzt, für rund 125 Millionen Euro ein Einkaufszentrum für Markenwaren errichten. Dafür werden Parkplätze für die Kunden benötigt. Im Mai rollen die ersten Bagger an, um mit dem Abriss der Halle zu beginnen. Die Siedlung soll danach niedergerissen, das "Duisburg Village Outlet" mit 95 Geschäften im Oktober 2013 eröffnet werden. Voraussetzung: Die Bewohner lassen sich umsiedeln — was für die meisten von ihnen nicht infrage kommt.

"Wir wollen unsere Heimat nicht verlassen", sagt Horst Niewrzol, "die meisten wohnen hier schon 50 Jahren." Betroffen sind vor allem ältere Menschen, wie etwa Greta Buchholz. Die 84-jährige Alleinstehende kämpft mit den Tränen, wenn sie darüber spricht, vielleicht bald ihre Wohnung räumen zu müssen. "In meinem Alter zieht man nicht mehr um", sagt sie. "Dafür hätte ich auch gar keine Kraft mehr." Niewrzol berichtet sogar von einigen Nachbarn, die in letzter Zeit kaum noch schlafen können. "Ich mache mir wirklich Sorgen um manche Nachbarn: Bei vielen herrscht absolute Endzeitstimmung."

Sie ließen sich auch nicht mit Ersatzwohnungen besänftigen, die der ehemalige Eigentümer der Siedlung, die Wohnungsgesellschaft Immeo, den Anwohnern anbietet. "Jeder bekommt eine passende neue Wohnung, niemand landet auf der Straße", sagt Geschäftsführer Walter Ziegler. Immeo hatte das Areal an das Unternehmen German Development Group (GDG) abgetreten, das das Gelände für den künftigen Outlet-Betreiber Freeport Retail entwickelt.

Die Anwohner haben eine Bürgerinitiative gegründet und sich einen Anwalt genommen. An vielen Balkonen flattern Plakate mit Aufschriften wie "Kein Abriss wegen Outlet" oder "Stoppt die Abrisspläne". An jeder Haustür hängen Flyer, mit denen vor dem Outlet-Center gewarnt wird. Von der Politik fühlen sich die Mieter im Stich gelassen, insbesondere von Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU). "Er hat uns verraten und verkauft", schimpfen sie.

Sauerland, über dessen Abwahl am 12. Februar abgestimmt wird, stellte im November auf einer Fachmesse im französischen Cannes das Outlet-Center offiziell der Öffentlichkeit vor. Das Einkaufszentrum, so der OB damals, würde den Duisburger Norden aufwerten und beleben. "Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Uns hat er zuvor nicht darüber informiert — wir erfuhren es aus der Zeitung", sagt der Sprecher der Bürgerinitiative. Der Duisburger Stadtrat hat dem Bau bereits zugestimmt.

Die Wohnungsgesellschaft Immeo hat nach eigenen Angaben schon mit rund 60 Mietern Gespräche geführt. Einige Umzugsverträge seien bereits geschlossen. Ein Sozialarbeiter des Unternehmens bezieht in diesen Tagen in der Siedlung ein Büro, erzählt Ziegler: "Es ist eine Anlaufstelle direkt vor Ort, um die Sorgen der Bewohner in klärenden Gesprächen auszuräumen." Klar sei aber auch, so Ziegler weiter, dass sich an den Abrissplänen aller Voraussicht nach nichts ändern würde. Die Mieter haben laut Gesetz einen einjährigen Kündigungsschutz. Doch so lange können und wollen die Investoren nicht warten. "Wir hoffen, dass wir das Projekt schnellstmöglich, aber sozialverträglich über die Bühne bringen und nicht erst in einem Jahr", sagt Ziegler. Der niederländische Investor selbst war für Anfragen zum Projekt nicht zu erreichen.

Unterstützung erhält die Bürgerinitiative von der "Geschichtswerkstatt Duisburg-Nord", die einen Denkmalantrag für die Siedlung an die Untere Denkmalbehörde der Stadt Duisburg gestellt hat. Die Ende der 1950er Jahre von Thyssen gebaute Siedlung sei ein wichtiges Zeugnis des Städtebaus im Ruhrgebiet sowie der Duisburger Stadtgeschichte, so die Begründung. Der Antrag wird nun vom Fachamt des Landschaftsverbandes Rheinland geprüft.

Die Initiative will in den nächsten Tagen die Siedlung mit einer Menschenkette umstellen. "Wir kämpfen weiter", verspricht Anwohner Horst Niewrzol.

(RP/jco)
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