Mitfahrgelegenheiten boomen Zur Arbeit fahren mit neuen Bekannten

Düsseldorf · Helmut Ruhl pendelt täglich von Duisburg nach Düsseldorf. Er hat ein Auto und sucht über vier Internetportale nach Mitfahrern. Mit der gemeinsamen Fahrt zur Arbeit hat der 52-Jährige in der Vergangenheit nur positive Erfahrungen gemacht – er schätzt die Gesellschaft während der Fahrt und die Einsparmöglichkeiten.

Umfrage: "Was denken Sie über Fahrgemeinschaften?"
5 Bilder

Umfrage: "Was denken Sie über Fahrgemeinschaften?"

5 Bilder

Helmut Ruhl pendelt täglich von Duisburg nach Düsseldorf. Er hat ein Auto und sucht über vier Internetportale nach Mitfahrern. Mit der gemeinsamen Fahrt zur Arbeit hat der 52-Jährige in der Vergangenheit nur positive Erfahrungen gemacht — er schätzt die Gesellschaft während der Fahrt und die Einsparmöglichkeiten.

Am meisten ärgert Helmut Ruhl auf dem täglichen Weg zur Arbeit, dass in vielen Fahrzeugen auf der Autobahn nur eine Person sitzt. "Dabei fahren doch alle dieselbe Strecke. Das ist bei den Spritpreisen eine unglaubliche Verschwendung — und gut für die Umwelt ist das auch nicht", sagt der 52-Jährige.

Der Bundespolizist aus Duisburg pendelt täglich zum Düsseldorfer Flughafen. Um die Spritkosten zu senken und Gesprächspartner im Auto zu haben, bietet er auf vier verschiedenen Internetportalen eine Mitfahrgelegenheit an.

Der erste Eindruck zählt — besonders wenn man am frühen Morgen in das Auto eines Fremden steigt, mit dem man bisher nur per E-Mail und am Telefon Kontakt hatte. Helmut Ruhl weiß das. Er wirkt ruhig und freundlich, sein VW Golf Plus ist aufgeräumt und riecht ein bisschen nach Pfefferminzbonbons. Es ist leicht, mit dem 52-Jährigen ins Gespräch zu kommen. Wer auf Mitfahrgelegenheiten setzt, der sollte Small Talk beherrschen: Fußball, das Wetter, der Job und der Verkehr sind Themen während der etwa 40-minütigen Fahrt von Duisburg-Hamborn zum Flughafen.

Seit 25 Jahren pendelt Helmut Ruhl aus dem Duisburger Norden zu seiner Dienststelle am Flughafen. Öffentliche Verkehrsmittel kommen für ihn nicht infrage: "Das habe ich versucht, aber mit Bus und Bahn dauert mein Weg zur Arbeit fast doppelt so lange", erzählt der Bundespolizist. Außerdem, so der 52-Jährige, sei es doch viel gemütlicher, im eigenen Auto zur Arbeit zu fahren.

Insgesamt fünf Jahre hat Helmut Ruhl Fahrgemeinschaften organisiert. Etwa zehn Monate fuhr er zusammen mit einer jungen Duisburgerin, die in Ratingen arbeitet. Davor war er lange mit einer Arbeitskollegin aus Dinslaken unterwegs. "Das war optimal, weil wir uns mit dem Fahren abwechseln konnten", so der 52-Jährige.

Sollte ein zukünftiger Mitfahrer kein eigenes Auto haben, ist das für Helmut Ruhl kein Problem: "Dann berechne ich drei Euro pro Hin- und Rückfahrt. So günstig kommt man mit Bus und Bahn nicht zu Arbeit. Der Vorteil für mich ist, dass ich meine Spritkosten um die Hälfte verringern kann."

In der Landeshauptstadt sind Mitfahrgelegenheiten besonders beliebt. In den vergangenen Wochen wurden in Düsseldorf so knapp 14 000 Fahrten über www.mitfahrgelegenheit.de angemeldet, heißt es bei dem Internetportal. Eine regelmäßige Nutzerin des Portals ist Nadine Wiedmaier. Weil der 30-Jährigen Bus und Bahn zu teuer sind, meldet sie sich häufig für Fahrten nach Stuttgart an. "Ich fahre aber nur mit, wenn maximal drei Mitfahrer erlaubt sind. Sonst wird mir das Auto zu voll", so Wiedmaier.

Ebenfalls begeisterter Mitfahrer ist Markus Sekulla. Der 31-Jährige sucht sich Mitfahrgelegenheiten, um bei seinen regelmäßigen Reisen nach Osnabrück Kosten zu sparen.

Mitfahrgelegenheiten sind nichts für diejenigen, die kein Interesse an neuen Bekannten haben. Wenn man jeden Tag insgesamt zwei Stunden gemeinsam im Auto verbringt, lernt man sich gut kennen. "Mit der jungen Frau aus Duisburg ist eine richtige Freundschaft entstanden. Auch wenn sie mittlerweile in Krefeld wohnt und wir nicht mehr gemeinsam zur Arbeit fahren, haben wir noch regelmäßig Kontakt," erzählt Ruhl. Die Chemie hat gestimmt. Der Bundespolizist gibt zu bedenken: "Wenn ich mich mit einem Mitfahrer gar nicht verstünde, würde ich die gemeinsamen Fahrten auch beenden."

Zurzeit ist Helmut Ruhl alleine unterwegs — obwohl er auf vier Internetportalen seinen Wagen als Mitfahrgelegenheit anbietet. Oft bekommt er Anfragen nach Einzelfahrten, aber regelmäßig mitfahren will keiner. Einmalige und vor allem lange Touren quer durch Deutschland sind beliebt.

Als Helmut Ruhl vor einigen Jahren seine Frau, die auf Kur im Erzgebirge war, besuchen wollte, musste er nicht lange warten, bis sich zwei Interessierte meldeten. "Die Nachfrage war so groß, dass ich das Auto vollständig hätte besetzen können", erzählt Ruhl. Das wollte der 52-Jährige aber nicht — zu groß empfindet er die logistischen Probleme bei mehr als zwei Mitfahrern. Und nette Gespräche sind dann auch nicht mehr möglich.

(anch)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort