Düsseldorf Zelthallen für Flüchtlinge werden gebaut

Düsseldorf · Eine Düsseldorfer Firma errichtet in Holthausen die ersten Zelthallen. 300 Flüchtlinge kommen dort unter. Andrang herrschte an der Schanzenstraße: Nach dem Brand konnten einige Ex-Bewohner ihre Sachen aus dem Gebäude holen.

 Beim Aufbau der Zelthallen an der Itterstraße in Holthausen: die Flüchtlingsbeauftragte Miriam Koch im Gespräch mit dem Zeltanlagenvertreiber Falk Baumeister.

Beim Aufbau der Zelthallen an der Itterstraße in Holthausen: die Flüchtlingsbeauftragte Miriam Koch im Gespräch mit dem Zeltanlagenvertreiber Falk Baumeister.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

In einem Raum in der ersten Etage stehen auf dem Tisch neben der Babywiege noch zwei Kaffeetassen - als wäre gerade jemand hier gewesen. Doch das ist vier Tage her. Die Szenerie zeigt, wie abrupt der Aufbruch am vergangenen Freitag für die 179 Bewohner des Flüchtlingsheims an der Schanzenstraße in Oberkassel gewesen sein muss. Zwei Stockwerke höher war ein Feuer ausgebrochen, das gesamte Gebäude wurde evakuiert. Die Menschen, die sich Monate, teils Jahre in dieser Dauerunterkunft einigermaßen eingerichtet hatten, mussten alles zurücklassen und leben jetzt provisorisch in Schulturnhallen.

An diesem Dienstag dürfen einige von ihnen, rund 60 frühere Bewohner der ersten und zweiten Etage, in ihre Räume und mitnehmen, was ihnen wichtig ist. Es wird in Lagern der Turnhallen verstaut. In kleinen, von der Stadt angemieteten Bussen werden sie an die Schanzenstraße gebracht, dürfen in Gruppen nach oben gehen und in blaue Müllsäcke packen, was mitgenommen werden soll. Oliver Targas von der Diakonie steht den Bewohnern mit 16 Ehrenamtlichen zur Seite. Manche kommen zu Fuß vorbei, verstehen nicht, warum sie ihre Räume in der dritten und vierten Etage nicht betreten dürfen.

 Hamid Moradi in seinem Zimmer an der Schanzenstraße: an der Wand deutsche Vokabeln, in den blauen Sack kann er seine Sachen packen.

Hamid Moradi in seinem Zimmer an der Schanzenstraße: an der Wand deutsche Vokabeln, in den blauen Sack kann er seine Sachen packen.

Foto: Bernd Schaller

Manche haben einen Besichtigungstermin für eine Wohnung, aber keine Papiere, weil die im noch gesperrten Bereich liegen. "Ein junger Mann aus Eritrea war da, der sein Handy braucht, weil er nur darüber mit seinem Bruder in Kontakt kommen kann, der in Libyen festgesetzt ist", sagt Jürgen Riegner von der Stadt, der am Eingang alles koordiniert und mit manchem Schicksal konfrontiert wird. Jetzt steht Hamid Moradi vor ihm, verzweifelt. Der 45-jährige Iraner lebte 18 Monaten in der Unterkunft. Er spricht nahezu perfekt Deutsch, besucht die Dekra-Akademie und hofft, eines Tages wieder in seinem alten Beruf, Vermesser, arbeiten zu können.

"Ich will eine eigene Wohnung", sagt er. Das stehe ihm nach 15 Monaten zu, er habe doch bereits Kontakt zu einem Vermieter. Riegner kann aber nicht helfen. Vor allem will Moradi nicht zurück in die Turnhalle an der Friedenstraße: "Dort kann ich nicht schlafen, nichts sicher verwahren." In seinem Zimmer, das er sich mit einem Mitbewohner teilte, steht er unschlüssig vor seinen Sachen. Was mitnehmen? Was, wenn ihm das geklaut wird? An der Wand hängt ein Plakat mit deutschen Vokabeln und Fällen, an den Spiegel und andere Möbelstücke hat Moradi Zettel geklebt mit der jeweiligen Bezeichnung.

Er will lernen, sich integrieren. Jetzt lebt er in einer Turnhalle. "Was habe ich nur falsch gemacht?" Etwa zehn Kilometer entfernt, an der Itterstraße in Holthausen, wird gehämmert. Der Düsseldorfer Unternehmer Falk Baumeister ist mit bis zu 40 Mann dabei, auf der städtischen Freifläche vier Zelthallen aufzustellen. In einigen Tagen sollen hier etwa 300 Flüchtlinge untergebracht werden. Die Nachfrage nach Zelten sei groß, sein Repertoire - er arbeitet europaweit mit Partnern - auch, sagt Baumeister. "Das Problem sind momentan die Sanitäranlagen, da gibt es einen Engpass." Die Zelte haben feste Seitenwände, können also ohne viel Aufwand winterfest gemacht werden. In zwei Zelte kommen Schlafplätze, in die anderen beiden Küchen-, Versorgungs- und Sanitärbereiche.

Diese Menschen helfen Flüchtlingen
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Die Stimmung im Umfeld ist, milde gesagt, skeptisch. Man fühlt sich benachteiligt mit all den Problemen, die es ohnehin schon rund um den Kamper Acker mit der Drogen- und Trinkerszene gibt. Die Flüchtlingsbeauftragte Miriam Koch nimmt die Sorgen ernst, will den Vorwurf der Benachteiligung aber nicht stehenlassen: Flüchtlingsunterkünfte seien stadtweit verteilt, auch in wohlhabenden Vierteln. "Jeder hat das Recht auf die eigene Meinung, aber nicht auf die eigenen Fakten", sagt Koch. Freitagabend stellt sie sich bei einem Infoabend den Fragen der Holthausener.

(RP)
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