Explosion am S-Bahnhof Zehn Jahre nach dem Wehrhahn-Anschlag

Düsseldorf · Am 27. Juli 2000 detonierte ein Sprengsatz am S-Bahnhof an der Ackerstraße. Für die zehn damals teils schwer Verletzten spielt das Verbrechen heute keine große Rolle mehr. Die Sonderkommission der Polizei ist aufgelöst. Trotzdem geben die Fahnder die Hoffnung nicht auf, den Täter zu fassen.

 Mit aus den USA eingeflogenem Spezialgerät suchte die Polizei Wochen nach dem Anschlag winzige Metallteilchen am S-Bahnhof. Viele Spuren hatte unmittelbar nach der Tat ein Gewitterregen weggespült.

Mit aus den USA eingeflogenem Spezialgerät suchte die Polizei Wochen nach dem Anschlag winzige Metallteilchen am S-Bahnhof. Viele Spuren hatte unmittelbar nach der Tat ein Gewitterregen weggespült.

Foto: Werner Gabriel

Ohne öffentliches Gedenken ist der zehnte Jahrestag des Sprengstoffanschlags auf den Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn vorbei gegangen. Die Explosion, bei der zehn jüdische Auswanderer aus den ehemaligen GUS-Staaten teils schwer verletzt wurden, sei "nicht vergessen", sagt Michael Szentei-Heise, Direktor der Jüdischen Gemeinde. "Aber das Geschehen ist verarbeitet und abgeschlossen."

In den ersten Jahren danach haben viele der Opfer intensiv den Kontakt zur Gemeinde gesucht, sie brauchten das Gespräch und die Gemeinschaft, berichtet Szentei-Heise. "Inzwischen sind sie längst Gemeinde-Mitglieder wie alle anderen auch." Der Anschlag habe aufgehört, ihr Leben zu beherrschen, Normalität ist eingekehrt. "Und das ist gut so. Auch wenn natürlich sehr bedauerlich ist, dass diese Tat niemals aufgeklärt worden ist."

50 Kisten umfasst die Ermittlungsakte der Polizei, die vorigen Sommer von der "EK Acker", wie die damalige Sonderkommission hieß, der Staatsanwaltschaft übergeben wurde. Am 27. Juli 2000 hatte die Kommission mit mehr als 80 Ermittlern die Arbeit aufgenommen, zwei Jahre später waren es nur noch zwei Beamte, die immer wieder über den Spurenakten saßen und unter den mehr als 1000 Hinweisen den einen suchten, der auf eine heiße Spur führen könnte.

Aber keine der 342 Spuren, denen sie folgten, war je so heiß gewesen, dass am Ende der Täter gestanden hätte. Keiner der 1300 befragten Personen hat die Antworten geben können, die die Fahnder brauchten. Als Dietmar Wixfort, von Anfang an Leiter der "EK Acker" voriges Jahr die Düsseldorfer Polizei verließ, war die Kommission, die eigentlich nur noch aus ihm bestanden hatte, faktisch aufgelöst.

Sowie es einen vielversprechenden Hinweis gibt, werde man die Akte wieder öffnen, versprach seinerzeit Staatsanwalt Ralf Herrenbrück, der die Ermittlungen jahrelang begleitet hat. Doch auch er hat inzwischen einen neuen Job, ist nicht mehr für Kapitalverbrechen, sondern für politisch motivierte Straftaten zuständig. Dass er in diesem Ressort dem Wehrhahn-Attentäter jemals gegenüberstehen wird, hat er selbst schon weitgehend ausgeschlossen. Vor allem gegen die anfangs für sehr wahrscheinlich gehaltenen rechtsradikalen Hintergründe der Tat spreche, "dass es nie ein Bekennerschreiben gegeben hat", sagte Herrenbrück.

Dabei war natürlich gerade in der Neonazi-Szene gründlich ermittelt worden. Ein zwielichtiger Militaria-Händler und selbst ernannter Detektiv, der in seinem Laden in Sichtweite des S-Bahnhofs unter anderem mit Handgranaten-Attrappen handelte und viele Kunden in der rechtsextremen Szene hatte, geriet schon Stunden nach der Explosion ins Visier der Fahnder. Doch weder ihm noch dem Ex-Häftling, der nach seiner Entlassung mit Bombenanschlägen gedroht hatte, war ein Zusammenhang mit dem Wehrhahn-Anschlag nachzuweisen.

Bis heute hält die Polizei Informationen über den Inhalt der Plastiktüte, in dem auch der Sprengsatz aus verunreinigtem Trinitrotoluol (TNT) steckte, zurück. Irgendwann, hoffen die Ermittler des Kriminalkommissariats 11, von einem Verdächtigen zu hören, was darin war. Denn sie geben die Hoffnung nicht auf, den Fall doch noch zu klären — und sei es durch einen Kollegen, den Polizisten eigentlich nicht sehr schätzen: Kommissar Zufall.

(RP)
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