Düsseldorf Zahl der Kirchenaustritte auf Höchststand

Düsseldorf · Die Affäre um den Limburger Bischof ließ die Zahl derer, die der Kirche den Rücken kehren, nach oben schnellen. Beide Konfessionen sind betroffen. Mit Initiativen zum Wiedereintritt wollen die Gemeinden gegensteuern.

 Pfarrer Michael Dederichs und Pfarramtssekretärin Hannelore Schröder zeigen in St. Antonius das aktuelle Banner für die Wiedereintrittskampagne.

Pfarrer Michael Dederichs und Pfarramtssekretärin Hannelore Schröder zeigen in St. Antonius das aktuelle Banner für die Wiedereintrittskampagne.

Foto: H.-J. Bauer

3351 Düsseldorfer sind im vergangenen Jahr aus den beiden großen Kirchen ausgetreten. "Die Dezember-Zahlen haben den seit Oktober feststellbaren Trend noch einmal bestätigt", sagt Amtsgerichtssprecher Michael Pohar. Im gerade abgelaufenen Jahr verließen stadtweit 1368 evangelische und 1983 katholische Christen ihre Glaubensgemeinschaft. Das ist für Düsseldorf der höchste Wert seit 2004. Ähnlich viele Austritte hatte es in 2003 (3303) sowie im Jahr 2000 (3782) gegeben. Allein im Oktober 2013 kehrten mehr als 420 Christen, darunter 161 Protestanten, ihrer Kirche den Rücken. Der Hintergrund war offenbar die Affäre um den inzwischen in einer Auszeit befindlichen Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst.

"Natürlich kommen wir angesichts dieser Zahlen ins Nachdenken", sagt Dechant Michael Dederichs. Schade sei, dass die meisten Austrittswilligen vor dem weitreichenden Schritt, der unter anderem den Ausschluss von den Sakramenten nach sich zieht, nicht das Gespräch mit der Kirche suchten. "Gemeinde ereignet sich vor Ort. Hier wird Kirche positiv erlebbar. Daran kann das Fehlverhalten eines einzelnen Ortsbischofs oder einzelner Jugendbetreuer nichts ändern", sagt der Priester.

Denjenigen, die ihn doch einmal über ihre Austrittspläne informieren, sagt er: "Dir gefällt doch längst nicht alles im Fernsehen. Und über manches ärgerst Du Dich so richtig. Trotzdem ziehst Du nicht gleich für immer den Stromstecker aus der Dose, sondern schaltest das Gerät regelmäßig wieder ein." Für seine Gemeinden kündigt Dederichs die Wiederaufnahme einer Plakataktion ("Gönnen Sie uns das Wort") zur Rückgewinnung von enttäuschten Christen an.

Dass auch viele Protestanten wegen eines katholischen Bischofs austraten, nimmt Uwe Vetter, Pfarrer an der evangelischen Johanneskirche, gelassen. "Es mag von denen, die sich so entscheiden, nicht durchdacht sein, aber wir befinden uns inzwischen in einer ökumenischen Haftungsgemeinschaft." Neben Skandalen wie dem Missbrauch von Schutzbefohlenen oder den Verfehlungen einzelner Amtsträger sei die Kirchensteuer ein Hauptmotiv für den Austritt.

Freilich nutzen Ausgetretene nicht selten kirchliche Strukturen und Angebotene "bei Bedarf", sagt Vetter. Oder sie treten vor wichtigen Ereignissen wie der eigenen Hochzeit oder mit Blick auf ein näher rückendes Lebensende kurzfristig wieder ein. Eine solche, eher an ein klassisches Konsumverhalten erinnernde Haltung findet Vetter "nicht in Ordnung, weil es den Grundgedanken einer in allen Lebenslagen solidarischen Gemeinschaft verletzt".

Aus Sicht der Kirchen positiv: In jedem Jahr gibt es auch Wiederaufnahmen Ausgetretener. "Die Zahl schwankt zwischen 140 und 180", sagt Michael Hänsch vom katholischen Stadthaus. Bei den Protestanten sind es rund 250 Christen im Jahr, die den Weg zurück suchen. "Seit 1980 ist die Zahl Jahr für Jahr konstant", sagt Kirchensprecher Ulrich Erker-Sonnabend. Einen Ausschlag nach oben gab es im Jahr 2012, als sogar 330 Protestanten ihren Wiedereintritt erklärten. Von einem Trend mag Ulrich Erker-Sonnabend aber nicht sprechen: "Wir warten noch auf die Zahlen von 2013."

(RP)
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